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– 14.05.2025Agilität trifft Achtsamkeit – Wie Unternehmen Wandel wirklich meistern
Die digitale Transformation schreitet unaufhaltsam voran. Doch während viele Organisationen in neue Technologien investieren, bleibt eine zentrale Frage oft unbeantwortet: Wie befähigen wir Menschen, diesen Wandel aktiv mitzugestalten? Zwei Schlüsselkompetenzen rücken dabei zunehmend in den Fokus: Agilität und Achtsamkeit. Was zunächst wie ein Gegensatz klingt – Geschwindigkeit auf der einen, innere Ruhe auf der anderen Seite – entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als perfekte Ergänzung.
Agilität: Mehr als ein Buzzword
Agilität bedeutet weit mehr als das Arbeiten nach Scrum oder Kanban. Es geht um die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren, Strukturen flexibel zu halten und Verantwortung auf viele Schultern zu verteilen. In der Praxis heißt das: Statt starrer Hierarchien braucht es eigenverantwortliche Teams, schnelle Lernzyklen und die Bereitschaft, sich ständig weiterzuentwickeln.
Doch genau das stellt viele Organisationen vor Probleme. Bestehende Prozesse, Verantwortlichkeiten und Denkweisen sind oft über Jahre gewachsen. Veränderung erzeugt Reibung – besonders wenn sie mit Unsicherheit und komplexen Anforderungen einhergeht. Gleichzeitig erwarten Mitarbeitende heute Arbeitsumgebungen, die ihnen Gestaltungsspielraum und Sinn bieten. Agilität wird so zur Überlebensfrage.
Die Herausforderung: Lernen unter Druck
Agilität verlangt, dass Menschen bereit sind, Neues zu lernen und Altes loszulassen – das sogenannte „Unlearning“. Ob neue Tools, veränderte Kundenbedürfnisse oder regelmäßige Software-Updates: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Arbeitswelt wandelt, ist enorm. Das stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Lernen wird zum Dauerzustand – und häufig zur zusätzlichen Belastung im ohnehin vollen Arbeitsalltag.
Viele Mitarbeitende stoßen dabei an ihre Grenzen. Wenn keine Zeit bleibt, um neue Fähigkeiten zu entwickeln, und permanenter Wandel als Bedrohung wahrgenommen wird, steigt das Stresslevel. Und genau hier kommt Achtsamkeit ins Spiel.
Achtsamkeit: Präsenz als Gegengewicht zum Wandel
Achtsamkeit bedeutet, im Moment präsent zu sein – ohne zu bewerten, ohne abzuschweifen. Diese innere Haltung hilft nicht nur im Privaten, sondern auch im Arbeitskontext. Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis die Resilienz stärkt, Stress reduziert und die kognitive Flexibilität verbessert. In der Neurowissenschaft spricht man von „neuronaler Plastizität“ – dem Vermögen des Gehirns, sich anzupassen und neu zu vernetzen.
Für Unternehmen bedeutet das: Wer Achtsamkeit im Arbeitsalltag etabliert, schafft die Grundlage für einen nachhaltigen Wandel. Denn nur wer innerlich stabil ist, kann äußerlich flexibel agieren.
Achtsamkeit in der Praxis: Vom Meeting bis zur Projektführung
Wie lässt sich Achtsamkeit konkret im Projektmanagement umsetzen? Ganz einfach – mit kleinen Ritualen, die sich problemlos in den Arbeitsalltag integrieren lassen:
- Achtsamer Check-In: Zu Beginn eines Meetings sagt jede Person in wenigen Sätzen, wie es ihr gerade geht. Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl und schafft Fokus.
- Stille Minute: Eine kurze Atemübung oder Konzentration auf den Moment vor dem Brainstorming beruhigt das Nervensystem und fördert die Kreativität.
- Aktives Zuhören: Anstatt sofort zu antworten, wird die Aussage des Vorredners zusammengefasst. So wird sichergestellt, dass alle dasselbe Verständnis teilen.
- Reflexionsfragen: Mit Fragen wie „Was brauchst du noch?“ am Ende eines Meetings können Unklarheiten aufgelöst und Eigenverantwortung gefördert werden.
Diese Methoden sind einfach umzusetzen, aber äußerst wirksam. Sie fördern nicht nur die Teamkommunikation, sondern auch das Vertrauen – eine essenzielle Voraussetzung für agiles Arbeiten.
Digitale Tools bewusst einsetzen
Agilität braucht Werkzeuge. Ob Kanban-Boards in Jira, kollaborative Whiteboards wie Miro oder Kommunikationsplattformen wie Microsoft Teams: Digitale Tools ermöglichen es, vernetzt, visuell und transparent zu arbeiten – auch über Standort- und Abteilungsgrenzen hinweg. Doch die Einführung neuer Tools darf nicht überstürzt erfolgen.
Führungskräfte sind hier besonders gefragt: Sie müssen nicht nur technisches Wissen vermitteln, sondern auch Ängste abbauen. Ein achtsamer Umgang mit digitalen Veränderungen bedeutet, Menschen mitzunehmen, zu erklären und Raum für Fragen zu lassen. Nur so entsteht ein gemeinsames digitales Mindset, das Agilität wirklich trägt.
Führung im Wandel: Selbstführung statt Kontrolle
Agile Organisationen brauchen eine neue Form der Führung. Statt Kontrolle und Anweisung sind Vertrauen, Coaching und das Fördern von Selbstorganisation gefragt. Achtsamkeit unterstützt Führungskräfte dabei, sich selbst besser zu führen – und dadurch andere wirksam zu begleiten.
Ein Beispiel: Der sogenannte Body Scan, bei dem man gedanklich durch den eigenen Körper wandert, hilft, Stress und Verspannungen zu erkennen. Wer mit sich selbst verbunden ist, kann klarer kommunizieren, empathischer führen und gelassener mit Konflikten umgehen. Das ist kein Luxus, sondern eine Kernkompetenz im agilen Kontext.
Geteilte Verantwortung schafft Kreativität
Wenn Teams wissen, was sie können, und offen über ihre Bedürfnisse sprechen, entsteht Raum für Kreativität. Statt starren Rollenbildern leben agile Teams eine flexible Aufgabenverteilung – je nach Situation, Fähigkeit und Interesse. Achtsamkeit hilft, diese Potenziale zu erkennen und wertzuschätzen.
Die Frage „Was brauchst du noch?“ wird so zum Katalysator für gemeinsames Lernen, gegenseitige Unterstützung und geteilte Verantwortung. In einer Zeit, in der Wissensvernetzung und Innovationsgeschwindigkeit erfolgskritisch sind, ist das ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Fazit: Agilität + Achtsamkeit = Zukunftsfähigkeit
Agilität ist mehr als eine Methode. Sie ist eine Haltung – und diese Haltung braucht innere Stärke. Achtsamkeit liefert dafür das Fundament. Gemeinsam ermöglichen sie einen Kulturwandel, der nicht nur effizienter macht, sondern menschlicher. Wer in der Lage ist, sich selbst zu führen, klar zu kommunizieren und offen zu lernen, wird Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als Chance erleben.
Gerade in der Projektarbeit, die geprägt ist von wechselnden Anforderungen, komplexen Zielen und knappen Zeitplänen, ist diese Verbindung essenziell. Unternehmen, die Agilität und Achtsamkeit Hand in Hand denken, schaffen nicht nur bessere Projekte – sondern auch bessere Arbeitswelten.
Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel "Agilität und Achtsamkeit gehen Hand in Hand" von Dr. Martina Weifenbach, erschienen in der PM AKTUELL, Ausgabe 01/2025. Mehr über das Fachmagazin der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. erfahren Sie hier.
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