ChatGPT und die Zukunft der Schule

„Die Software ChatGPT versetzt Schulen und Hochschulen in Aufruhr“. (1) 

Die Software ChatGPT des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI LP ist eine künstliche Intelligenz und kann Inhalte produzieren, Erörterungen, Aufsätze, Gedichtanalysen schreiben. ChatGPT ist 24/7 verfügbar und bietet somit jederzeit Zugang zu Informationen und Lernressourcen. Wird der Chatbot Schule und Hochschule revolutionieren? Hat er „das Potenzial, die Art und Weise zu revolutionieren, wie wir lernen und lehren?“. (Informatikprofessorin Enkelejda Kasneci von der Technischen Universität München (2)). 

Schon seit Jahren werden der „Digitalisierung des Lernens“ riesige Potenziale zugeschrieben. Doch was ist davon an den Schulen realisiert worden? Aus schwarzen Kreidetafeln wurden Whiteboards, aus Papier-Arbeitsblättern wurden PDFs und der Frontalunterricht wird jetzt mit Lehrvideos auf dem Landesbildungsserver aufgepeppt. Ist das die digitale Transformation, von der Expert*innen sagen, dass sie unser Leben grundlegend verändern wird? Da ist die Rede vom unausweichlichen Wandel, von Disruptionen und der sog. VUCA-Welt, der wir mit Offenheit und Flexibilität begegnen sollen. Es scheint, als sei die Schule der „Fels in der Brandung“, der einzige Bereich, für den das nicht gilt. Noch immer geht es primär um die „Vermittlung von Stoff“. Sozial-emotionale Kompetenzen und Persönlichkeitsentwicklung sind etwas für die Präambeln der Lehrpläne. Der Unterricht vor Ort wird immer noch bestimmt von Fachinhalten, die in Klassenarbeiten abgefragt und danach wieder vergessen werden. Bulimielernen nannte das einmal der Journalist, Autor und Filmemacher Reinhard Kahl. Gleichaltrige lernen das Gleiche zur gleichen Zeit im (Dreiviertel-)Stunden-Takt und absolvieren zum Beweis ihrer „Reife“ standardisierte Wissensprüfungen. Ist das wirklich noch zeitgemäß? Sollte sich Wissensaneignung im 21. Jahrhundert nicht viel mehr an den Anforderungen der künftigen Arbeitswelt orientieren als am Konzept der preußischen Schulen des 19. Jahrhunderts? 

Seit vielen Jahren wird immer wieder gefordert, die Lehrpläne zu „entschlacken“ und endlich Platz zu machen für kompetenzorientiertes Lernen. Passiert ist nichts. Im Gegenteil: Die Kultusministerkonferenz (KMK) arbeitet aktuell an einer neuen Fassung der Oberstufenvereinbarung für ein künftiges Abitur in Deutschland, die – so die Befürchtung vieler Lehrer*innen – vorhandene Gestaltungsräume der Gymnasien aus früheren Reformen weiter einschränken wird. 

Das sieht auch die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW Marlis Tepe so: „Noch mehr Prüfungen würden zentralisiert und normiert, Qualität solle über noch mehr Tests und Bildungsstandards gesichert werden.“ Man will „die Schülerinnen und Schüler am Gängelband führen und wundert sich, warum sie an den Hochschulen scheitern“, so Tepe (3) 

In der „Potsdamer Erklärung“ (4) fordern die Gymnasiallehrer*innen jetzt u. a. „Handlungsorientierung und projektorientiertes Lernen“. Fast neidisch schauen sie auf die unteren Schulstufen, die bislang noch nicht von der Regelungswut der Kultusminister erfasst wurden. In der beruflichen Bildung, wo in Lernfeldern statt Fächern unterrichtet wird, macht sich die strukturelle Nähe zur Wirtschaft bemerkbar. Das Konzept der Handlungsorientierung, also ganzheitlicher, schüleraktiver Unterricht, ist als Standard in allen beruflichen Curricula verankert. Seit einigen Jahren gibt es in mehreren Berufen sogar das Lernfeld „Projektmanagement“. Und das ist gut so! 

Doris Weßels, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel, bezeichnete ChatGPT bei MDR AKTUELL als "Gamechanger". Wir müssten „künftig darüber nachdenken, ob bestimmte Aufgabenstellungen im Zeitalter von KI wirklich noch Sinn machen". (5) Genau darum geht es: Nicht die Aneinanderreihung von aus dem Kontext gelösten fachlichen Inhalten, sondern Zusammenhänge zwischen Wissensgebieten und ihren Anwendungsbereichen sollten im Zentrum des Unterrichts stehen. 

Viele GPM-Mitglieder kennen die Probleme der Schule über ihre Kinder oder Enkelkinder. Vielleicht könnten sie mit ihrem Wissen und ihren authentischen Erfahrungen aus dem Arbeitsleben fortschrittliche Lehrerinnen und Lehrer bei der Einführung des projektbasierten Lernens unterstützen? Für eine zukunftsorientierte Schule, in der Schüler*innenteams in Projekten kreativ komplexe Problemstellungen bearbeiten und dabei lernen, mit Unsicherheit und Mehrdeutigkeit umzugehen. ChatGPT könnte in diesem Kontext ein hilfreiches Werkzeug sein, eines unter vielen. 

 


(1) (2) Spiegel Online 02.02.2023, 18.09 Uhr https://www.spiegel.de/start/chatgpt-an-schulen-und-hochschulen-welchen-platz-hat-ki-in-unterricht-und-lehre-a-94329b65-8214-40f6-86e7-03eda44dce5f 

(3) https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/schwarzer-tag-fuer-die-bildunghttps>https://www.blickueberdenzaun.de/wp-content/uploads/2023/01/PotsdamerErklaerung-2023-01-25-3.pdf https

(5)

Jürgen Uhlig-Schoenian leitet die GPM Fachgruppe Projektmanagement macht Schule. Er informiert über die zunehmende Akzeptanz von Projektmanagement im Bildungsbereich, stellt Best Practices vor und gibt Impulse für einen Meinungsaustausch zwischen Wirtschaft und Schule.


Jürgen Uhlig-Schoenian leitet die GPM Fachgruppe Projektmanagement macht Schule. Er informiert über die zunehmende Akzeptanz von Projektmanagement im Bildungsbereich, stellt Best Practices vor und gibt Impulse für einen Meinungsaustausch zwischen Wirtschaft und Schule.


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