– 27.07.2012

Der Diener zweier Situationen – Das Auftraggeber-/Auftragnehmer-Verhältnis

In Anlehnung an das Theaterstück „Diener zweier Herren“ soll hier das Auftraggeber-/Auftragsnehmerverhältnis als Schlüssel zum Projekterfolg näher betrachtet werden.

Der Diener Truffaldino aus dem Theaterstück nimmt zwei Dienerschaften an und gerät dadurch immer wieder in Schwierigkeiten, die er aber letztendlich meistern kann. Auch die Beteiligten im Projekt und um das Projekt herum, haben in der Regel zwei Hüte auf. Wenn z. B. eine Projektleitung die eine oder andere Rolle in der jeweiligen Situation nicht ganz annimmt, dann gerät die jeweilige Person in eine nicht ungefährliche Schieflage, d. h. Störungen im Projektverlauf sind vorprogrammiert.

1. Das Auftraggeber-/Auftragnehmer-Verhältnis

 

Wie schaut dieses „Doppelspiel“ aus? Der Kunde als Auftraggeber beauftragt eine Firma, z. B. eine Anlage zur Produktion von Bauelementen für Flugzeuge zu liefern. Hier ist die beauftragte Firma zum Kunden der Auftragnehmer. Im Innenverhältnis gibt die beauftragte Firma z. B. durch den Vertrieb den Auftrag an die Projektleitung im Projektierungsbereich weiter. Nun wird aus dem Vertrieb der Auftraggeber und die Projektleitung zum Auftragnehmer. Wie bekannt bildet die Projektleitung mit seinem Kernteam aus dem Auftrag heraus Teilprojekte. Die Teilprojekte erhalten nun den Auftrag ihre Arbeitspakete zu erledigen. Dadurch wird die Projektleitung zum Auftraggeber gegenüber den Teilprojektleitungen. Das folgende Bild verfolgt die Kette bis zum Arbeitspaketverantwortlichen und zeigt die wichtigsten Aufgaben für den jeweiligen Verantwortlichen einerseits als Auftraggeber und andererseits als Auftragnehmer.

2. Die Rolle des Auftraggebers

Der Auftraggeber muss seinen Auftrag umreißen und spezifizieren. Er muss sagen, was er will, bis wann er etwas haben und wie viel Geld er dafür ausgeben will (Lastenheft). Er stellt die Finanzierung sicher und trifft mit dem Auftragnehmer eine entsprechende Vereinbarung, die unter Kaufleuten per Vertrag formuliert ist.

3. Die Rolle des Auftragnehmers

Der Auftragnehmer nimmt die Anforderungen entgegen und prüft diese auf der Basis seines technischen Sachverstands, ob die Anforderungen machbar, vollständig, konkret, verständlich und erstrebenswert sind. Er überlegt sich technische Lösungen und bietet diese dem Auftraggeber als Pflichtenheft an. Dazu kommen noch organisatorische, rechtliche, kaufmännische Überlegungen, die dann in ein Angebot an den Auftraggeber fließen.

4. Die Spannungsfelder

Soweit der skizzierte ideale Weg. In der Projekt-Praxis tauchen viele Konflikte auf, die hier ausschnittsweise diskutiert werden sollen.

4.1 Fehlverhalten seitens des Auftraggebers

Oft weiß der Kunde nicht, was er will. Es fehlt an technischem Know-how. Oder er will sich vieles offen lassen, um projektbegleitend Ideen und Änderungen leichter durchzusetzen. „Der Kunde ist König“, wird oft gesagt. oder „Wer das Geld hat, schafft an“. Rein praktisch wird diese Vorstellung zum Scheitern verurteilt sein. Welcher Auftragnehmer wird eine unsinnige oder fehlerhafte Beauftragung umsetzen? Auftragnehmer und Auftraggeber sitzen in einem Boot. Wer hier das Gewicht verlagert, trägt zum Kentern des Boots (des Projekts) bei. Deshalb werden Auftraggeber und Auftragnehmer sich auf gleicher Augenhöhe begegnen und hoffentlich dafür sorgen, dass eine Win-Win-Situation entsteht. Diese Situation sollte auch nicht durch Preisdumping, Fest- und/oder Werkverträge gestört werden.

4.2 Fehlverhalten des Auftragnehmers  

Ob aus Höflichkeit oder aus Angst vor Blamage ist in der Praxis zu beobachten, dass der Auftrag wenig geklärt wird. Die Anforderungen werden nicht hinterfragt. Es findet wenig Dialog statt, um zu kommunizieren, was der Auftrag beinhaltet und was nicht. Hier ist häufig eine echte Barriere, dass Auftraggeber und Auftragnehmer keine gemeinsame Sprache finden. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Der Auftragnehmer muss mit Fragen auf den Auftraggeber zugehen und für einen klaren, konkreten und eindeutigen Auftrag durch ein Lastenheft sorgen.

4.3 Mangelndes Ausfüllen der Doppelrolle

Schauen wir uns z. B. die Projektleitung näher an. Diese bekommt den Auftrag von einem Bereich aus der jeweiligen Firma oder gar von der Geschäftsführung. Hier sollte eine Übergabe stattfinden, in der technische und organisatorische Fragen abgeklärt werden:

  • Wie schaut die Projektorganisation aus?
  • Was ist das Ergebnis der Anforderungsprüfung und was bedeutet dies für den Auftrag?
  • Wie soll weiter vorgegangen werden?
  • Bis wann soll der Termin- und Kostenplan stehen?
  • Wie gestaltet sich die Berichterstattung?
  • Wie soll mit Änderung bis wann verfahren werden?

Dies sind sicherlich nicht alle Fragen, aber dennoch sehr zentrale Themen.

In das Projekt hinein ist nun die Projektleitung der Auftraggeber. Er bestimmt die „Richtlinien der Politik“, d. h. er muss mit seinen Mitstreitern klären, welche Methoden aus dem Projektmanagement angewandt werden, wie er Verbindlichkeit und Verantwortung herstellt, die Teamarbeit gestaltet, was für Meetings wichtig sind und wie die Projektsteuerung zu erfolgen hat. Er muss sich Gedanken machen, welche Teammitglieder für welches Arbeitspaket geeignet sind und welchen Führungsstil er in welcher Situation anwenden will.


5. Bedeutung für die Projektarbeit

Es bedarf fester Einrichtungen, um seiner Rolle als Auftraggeber und Auftragnehmer gerecht zu werden. Der Auftraggeber tut gut daran, folgende Einrichtung mit Leben zu füllen: Zu Beginn des Auftrags sollte ein Übergabe-Meeting stattfinden. Ergänzend kann ein Arbeitsmeeting zur Klärung der Anforderungen in Form eines Lastenhefts sinnvoll sein. Wichtig sind dann die Teilabnahmen während des Projekts, die in Meilenstein-Freigaben geschehen. Parallel dazu werden regelmäßig Änderungs- und Claim-Meetings stattfinden, um hier zu klaren Entscheidungen zu kommen und die Änderung geordnet in den Projektprozess einzuphasen. Und am Ende findet durch die Abnahme die letzte Übergabe statt. Dies sollte der Endakkord des Projekts in „Dur“ sein.

Auch eine Projektleitung sollte sich ein Instrumentarium schaffen, auf dem sie spielen kann.

Neben der Auftragsklärung soll die Projektleitung eine Planungsklausur mit seinem Team durchführen, um alle Punkte zu klären, damit die Beteiligten arbeitsfähig sind. Eine Projektleitung braucht dann regelmäßig Statusbesprechungen, um den Stand des Projekts zu erkennen und bei Abweichungen rechtzeitig geeignete Maßnahmen einzuleiten. Die Statusbesprechung dient auch als Blick in die Zukunft, um abschätzen zu können, wie die Projektziele „aus heutiger Sicht“ erreicht werden.

Auf der fachlichen Seite benötigt die Projektleitung eine Ideenwerkstatt, die dafür sorgt, dass gerade in Entwicklungsvorhaben die Innovation, als Marktvorsprung, erhalten bleibt. Für das Lernen ist es wichtig, „Lesson Learned“-Runden zu haben, um auf den gewonnenen Erfahrungen aufbauen zu können. Dazu zählt auch, sein Projekt mit den Beteiligten ordentlich abzuschließen.

Wir haben gesehen, dass das Tragen von zwei Hüten machbar ist. Wie es dem Diener Truffaldino im Stück „Diener zweier Herren“ immer wieder gelungen ist, schwierige Situationen zu meistern, so werden Sie die entsprechende Rolle je nach Situation ganz ausfüllen und sich wie bei einer Leiter die entsprechenden Instrumentarien („Sprossen“) schaffen müssen. Dies ist der Schlüssel zur erfolgreichen Projektarbeit.

Ich hoffe, Sie können dies in Ihren Kommentaren praxisnah bestätigen.


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Max L. J. Wolf schreibt im GPM Blog zum Thema PM-Praxis. Er war Mitglied der Leitung der GPM Region München. Als Berater und Trainer für Projektmanagement hat er einen großen Einblick in die praktische Arbeit vieler Projekte in Deutschland. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher z. B. zu kleinen Vorhaben, Projektmoderation und Zeitmanagement veröffentlicht.


Max L. J. Wolf schreibt im GPM Blog zum Thema PM-Praxis. Er war Mitglied der Leitung der GPM Region München. Als Berater und Trainer für Projektmanagement hat er einen großen Einblick in die praktische Arbeit vieler Projekte in Deutschland. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher z. B. zu kleinen Vorhaben, Projektmoderation und Zeitmanagement veröffentlicht.


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