– 04.11.2019

Die Ängste in Veränderungsprojekten ernst nehmen: Projektleiter als Change-Manager

Projekte bedeuten Veränderung, dafür werden sie ja aufgelegt. Manche von ihnen greifen tief in bestehende Unternehmensstrukturen ein, verändern Prozesse und Abläufe grundlegend – was zwangsläufig Ängste und Widerstände auslöst. Aufgabe des Projektleiters ist es, die Befürchtungen der Betroffenen ernst zu nehmen und für die Akzeptanz der Veränderungen zu sorgen. Mit anderen Worten: Der Projektleiter ist in der Rolle des Change-Managers gefordert.

Gerade der digitale Wandel erzeugt unzählige Projekte, die sich unmittelbar auf die Denk- und Arbeitsweise der Organisation und die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten auswirken. Im Management dieser Projekte geht es daher nicht nur um technische Fragen und Lösungen, sondern immer auch um Veränderung im Bewusstsein aller Beteiligten. Klassische Projektmanagement-Werkzeuge (Planung und Kontrolle) können zwar verhindern, dass ein Projekt aus organisatorischen Gründen in Schwierigkeiten gerät, die mit der Veränderung angestoßenen sozialen Prozesse bleiben jedoch unberücksichtigt.

Im Vorfeld eines größeren Projekts empfiehlt es sich deshalb, beide Aspekte zu prüfen: Liegt die zentrale Herausforderung vor allem in der planerischen und organisatorischen Komplexität des Projekts? Oder mehr in möglichen Unsicherheiten, Ängsten, Zukunftssorgen und Widerständen der betroffenen Personen? Oder sind beide Aspekte gleichermaßen wichtig?

Wenn es primär um die Bewältigung einer organisatorischen Komplexität geht, können Sie als Projektleiter Ihre Fähigkeiten im klassischen Projektmanagement ausspielen und sich voll und ganz auf die inhaltlichen Probleme konzentrieren. Geht es dagegen vor allem um die Bewältigung struktureller und kultureller Veränderungen, wird die Gestaltung der Veränderung zur zentralen Herausforderung. In diesem Fall kommt Ihnen zusätzlich die Rolle des Change Managers zu: Es ist Ihre Aufgabe, die Menschen auf die Projektreise mitzunehmen. Dazu gehört es, Ängste ernst zu nehmen, Widerstände rechtzeitig auszuräumen, die Projektziele überzeugend zu vermitteln und die Betroffenen in die Umsetzungsschritte einzubeziehen.

Angst befeuert Widerstand

Oft verkennen Projektleiter den Ernst der Lage, wenn Mitarbeiter sich gegen die Veränderungen stellen. Wenn das Projekt dann tatsächlich scheitert, dann meistens nicht an den Widerständen selbst, sondern am falschen Umgang mit ihnen. Hilfreich ist bereits die Erkenntnis, dass Widerstand menschlich und deshalb normaler Bestandteil eines Veränderungsprozesses ist.

Ganz gleich ob sich ein Arbeitsplatz durch eine Umstrukturierung, ein Reengineering oder die Einführung eines neuen IT-Systems verändert, ob eine Fusion oder Übernahme das gesamte Arbeitsumfeld auf den Kopf stellt –  die Betroffenen stehen immer vor der Notwendigkeit, sich an die veränderten Vorgaben anzupassen. Und sie reagieren fast immer so, wie es im Lehrbuch steht: mit heftigem Unwillen, weil sie ihre Komfortzone verlassen müssen. Das kann, wie etwa im Fall von Joachim K., bisweilen skurrile Formen annehmen: Angesichts des neuen CRM-Systems verteidigen Außendienstmitarbeiter plötzlich die gleichen Arbeitsabläufe, an denen sie tags zuvor kein gutes Haar gelassen haben.

Doch es ist nicht bloß Unwille, der Widerstand entstehen lässt. Prinzipiell können Widerstände auf drei verschiedene Ursachen zurückgehen:

  • Sachliche Ängste, wenn Ziele und Vorgehensweisen in Zweifel gezogen werden.
  • Persönliche Ängste, wenn die Veränderung als bedrohlich empfunden wird.
  • Eigeninteressen, wenn Besitzstände (Macht, Status, etc.) bedroht sind.

 
Die drei Angsttypen sind der Motor für Widerstände, werden jedoch häufig hinter Sachargumenten versteckt und deshalb verkannt. Das Problem ist nur: Ängste kann man nicht einfach mit Sachargumenten „wegreden“.

Sachliche Ängste ernst nehmen

Trotzdem ist es beim Umgang mit Widerständen sinnvoll, sich zunächst mit den Sachargumenten auseinanderzusetzen. Ein Argument kann auch dann stichhaltig sein, wenn dahinter persönliche Ängste oder Eigeninteressen stecken. Zwar neigen von Ängsten getriebene Menschen dazu, die Folgen der Veränderung in drastischen Farben zu malen und die Risiken zu überschätzen. Dennoch können ihre Befürchtungen auf wesentliche Aspekte aufmerksam machen, die bei der Projektplanung übersehen oder bei der Umsetzung nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Persönliche Ängste akzeptieren

Veränderungen lösen immer dann Ängste aus, wenn wir befürchten, sie nicht bewältigen zu können – wenn wir uns schwach oder hilflos fühlen und uns deshalb nicht zutrauen, mit den neuen Verhältnissen zurechtzukommen. Es ist daher völlig irrelevant, ob Sie als Projektleiter die Ängste eines Mitarbeiters für berechtigt oder nicht halten: Für den Betroffenen sind sie Realität. Es macht deshalb auch keinen Sinn, Ängste für unbegründet zu erklären. Dadurch verschwinden sie nicht. Es verstärkt nur den Widerstand des Betroffenen, der sich unverstanden fühlt. Im Umgang mit persönlichen Ängsten hilft nur eines: Die Ängste ernst nehmen und gemeinsam eine Lösung finden, die dem Betroffenen diese Ängste nimmt.

Eigeninteressen dürfen kein Tabu sein

Darüber hinaus können Veränderungen auch Eigeninteressen bedrohen, zum Beispiel mit dem Verlust von Macht, Status oder Ansehen verbunden sein. Auch wenn diese Eigeninteressen Ihnen als Projektleiter zu schaffen machen – sie sind nichts Unanständiges.
Vermeiden Sie es, die Eigeninteressen von Beteiligten oder Betroffenen des Projekts zu tabuisieren. Das macht die Lage nur noch schlimmer. Wer das Gefühl hat, seine Interessen nicht benennen zu dürfen, agiert verdeckt: Unter dem Anschein sachlicher Diskussionen wird er oder sie alles daran setzen, eine Lösung durchzusetzen, die den persönlichen Interessen entspricht.

Survival-Tipps

  • Das beste Gegenmittel gegen Ängste sind eine offene Kommunikation und das zügige Schaffen klarer Verhältnisse.
  • Nehmen Sie sachliche Ängste ernst, denn sie machen uns auf Dinge aufmerksam, die bei der Planung oder Umsetzung des Projekts womöglich übersehen wurden.
  • Akzeptieren Sie persönliche Ängste der Betroffenen, auch wenn sie noch so irrational sind. Es verstärkt nur den Widerstand, wenn Sie die Ängste als unbegründet erklären.
  • Suchen Sie gemeinsam mit den betroffenen Personen nach einer Lösung, die ihnen die Ängste nimmt und es ihnen ermöglicht, sich auf die Veränderung einzulassen.
  • Beachten Sie: Eigeninteressen sind nichts Unanständiges. Und es macht allen Beteiligten das Leben leichter, wenn es erlaubt ist, offen darüber zu reden.
  • Wägen Sie gemeinsam mit den Führungskräften Einzel- und Gesamtinteressen ab, wenn es Konflikte gibt. Unter Umständen findet sich so eine annehmbare Lösung.

Hinweis

In seinem neuen Buch „Projekt-Kompass“ befasst sich Mario Neumann mit den vielfältigen Rollen, in denen Projektleiter heute gefordert sind. Er beschreibt schwierige Situationen, mit denen Projektleiter früher oder später konfrontiert werden, und in denen sie mit klassischen Projektmanagement-Methoden allein nicht weiterkommen. Auch als offene Seminare buchbar: https://marioneumann.com/termine.


Mario Neumann fühlt sich als „Projekt-Abenteurer“, seit er seinen Job als Projektleiter vor über 20 Jahren bei Hewlett-Packard antrat. In dieser Zeit und seit 2008 als selbständiger Trainer und Berater entwickelte er sein Konzept für „Situatives Projektmanagement“, mit dem er Projektleiter für alle Phasen ihrer Projekte fit macht. Mit „Projekt-Safari“ legte Mario Neumann ein Handbuch vor, das innerhalb kürzester Zeit zum angesagten Must-have für Projektmanager wurde. In diesem Blog berichtet er über typische Aspekte seiner Arbeit.


Mario Neumann fühlt sich als „Projekt-Abenteurer“, seit er seinen Job als Projektleiter vor über 20 Jahren bei Hewlett-Packard antrat. In dieser Zeit und seit 2008 als selbständiger Trainer und Berater entwickelte er sein Konzept für „Situatives Projektmanagement“, mit dem er Projektleiter für alle Phasen ihrer Projekte fit macht. Mit „Projekt-Safari“ legte Mario Neumann ein Handbuch vor, das innerhalb kürzester Zeit zum angesagten Must-have für Projektmanager wurde. In diesem Blog berichtet er über typische Aspekte seiner Arbeit.


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