– 23.05.2023

Entscheidend ist die „Intrapreneurship Readiness“ – Interview mit Prof. Dr. Rodrigo Isidor

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel, geopolitische Krisen… Um die Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen, befinden sich Organisationen in der Transformation. Sie arbeiten daran ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und setzen dabei zunehmend auf Intrapreneurship-Maßnahmen.

Doch sind sie nur Hype?

Um Einblicke in den aktuellen Stand in Wissenschaft und Praxis zu bekommen, lädt die Arbeitsgruppe "Studie Intrapreneurship und Projektmanagement" der Fachgruppe PM-Expertinnen der GPM, Intrapreneurship Experten und Expertinnen zum Interview ein.


Zu Gast in diesem Beitrag: Prof. Dr. Rodrigo Isidor

Prof. Dr. Rodrigo Isidor ist Inhaber des Lehrstuhls für Human Resource Management & Intrapreneurship (BWL IV) an der Universität Bayreuth. Seine Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle zwischen Human Resource Management, Internationalem Management und Entrepreneurship.

Neben zahlreichen Publikationen ist er zusammen mit Prof. Dr. Matthias Baum verantwortlich für den „Intrapreneurship Monitor“, der seit 2020 durchgeführt wird, mit dem Ziel „aus Basis wissenschaftlicher Analysen, Experteninterviews und Marktauswertungen einen Überblick über die Hintergründe, Treiber und Erfolgswirksamkeit von Intrapreneurship Aktivitäten in Deutschland zu geben“.

Darüber hinaus fungiert Prof. Dr. Rodrigo Isidor als Mentor mehrerer Start-ups und unterstützt etablierte Unternehmen bei der Gestaltung von Intrapreneurship-Programmen sowie bei Fragen des organisatorischen Wandels, der digitalen Transformation und der Gestaltung innovationsfreundlicher Arbeitswelten. 

Prof. Isidor, was verstehen Sie unter Intrapreneurship?

Prof. Dr. Rodrigo Isidor: Intrapreneurship umfasst für mich das proaktive, vorausschauende und unternehmerische Verhalten von Mitarbeiter*innen innerhalb einer Organisation. Das Ziel dieser Aktivitäten ist es, neue Geschäftsfelder sowie Geschäftsmodelle zu schaffen sowie Prozess-, Dienstleistungs- oder Produktinnovationen zu generieren und die Organisation damit insgesamt innovativer und erfolgreicher aufzustellen. 


Was sind die Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Intrapreneurship in einer Organisation? Was macht den Erfolg aus?

Bevor man über die generellen Erfolgsfaktoren von Intrapreneurship spricht, sollte sich ein Unternehmen (insbesondere das Top-Management) zuerst fragen, was sie mit Intrapreneurship im Unternehmen erreichen wollen. Häufig höre ich von Unternehmen, dass sie übertriebene Vorstellungen über die Erfolgswirksamkeit von Intrapreneurship haben und sich dann z.B. wundern, wenn ein Intrapreneurship-Programm nach 2 Jahren noch keine schwarze Zahlen schreibt.

Es reicht nämlich m.E. nicht aus, den eigenen Mitarbeiter*innen ein paar Workshops zu dem Thema anzubieten oder ein Intrapreneurship-Programm ins Leben zu rufen. Damit  Intrapreneurship eine nachhaltige Wirkung in einem Unternehmen hat, muss es auch auf einen passenden Nährboden stoßen. Dies ist für mich ein entscheidendes Erfolgskriterium. Um zu eruieren, ob ein Unternehmen einen solchen Nährboden aufweist, untersuchen wir dessen sog. „Intrapreneurship Readiness“.

Die Intrapreneurship Readiness besteht aus den vier Dimensionen:

1. Unternehmenskultur,

2. Formale Strukturen & Prozesse,

3. Mitarbeitende,

4. Externer Fit.

Bei der Unternehmenskultur sollte eine Kultur vorherrschen, die Innovationen begrüßt und nicht zu starr an dem Status quo hängt. Eine besondere Aufmerksamkeit wird hier der Fehlerkultur eingeräumt, also inwieweit Fehler in einem Unternehmen toleriert und als Chance für eine Weiterentwicklung gehen werden.

Zu den formale Strukturen & Prozessen zählen sämtliche organisatorische Abläufe, die Notwendigkeiten, die ein Unternehmen bereitstellen sollte. Darunter fallen häufig personalwirtschaftliche Aspekte wie die Freistellung von Mitarbeiter*innen während sie an eigenen Ideen arbeiten und die Incentivierung von Mitarbeiter*innen und Führungskräfte aber auch die Bereitstellung von ausreichenden finanziellen, räumlichen sowie zeitlichen Ressourcen. 

Bei dem externen Fit schauen wir uns die Wettbewerbsumfeld an. Hier spielen insbesondere die technologische Entwicklung und Wettbewerbsintensität des Marktes eine entscheidende Rolle, da diese Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf die Flexibilität eines Unternehmens haben, sich den raschen technologischen Wandel anzupassen. 

Zu guter Letzt schauen wir uns auch immer die Belegschaft an. Hier liegt ein besondere Augenmerk auf die unternehmerische Orientierung der Mitarbeiter*innen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht jede(r) Mitarbeiter*in ein Intrapreneur werden muss. Häufig gibt es in der aber sog. aktive Intrapreneure, die sich durch eine hohes unternehmerisches Potential und eine hohe unternehmerische Aktivität auszeichnen, sprich diese werden sich so oder so unternehmerisch einbringen, unabhängig davon, ob es ein spezielles Intrapreneurship Programm gibt oder nicht. Die für uns wichtigste Gruppe sind jedoch die sog. passiven Intrapreneure. Diese sollen durch die Intrapreneurship-Angebote zu aktiven Intrapreneuren gemacht werden.  

Wie sind Sie zu dem Thema gekommen? Was ist Ihre Motivation? Warum brennen Sie für das Thema Intrapreneurship?

Ich bin von meiner Ausbildung her eigentlich ein HR’ler. Als wir 2007 jedoch ein größeres Drittmittelprojekt zum Thema Entrepreneurship-Ausbildung einwerfen konnten, habe ich mir zunehmend gefragt, ob sich die Konzepte aus der Start-up-Welt nicht auch auf etablierte Unternehmen und ihre Mitarbeiter*innen übertragen lassen. Seitdem wir damals erste Erfolge hinsichtlich des unternehmerischen Verhaltens der Mitarbeiter*innen in etablierten Unternehmen feststellen konnten, lässt mich das Thema nicht mehr los. Als dann 2019 er erste - und bis heute - einzige Lehrstuhl für HRM & Intrapreneurship an der Universität Bayreuth aufgebaut werden sollte, war das für mich wie eine Fügung des Schicksals und ich bin sehr glücklich meine Passion für Intrapreneurship aus einer HR-Brille untersuchen zu dürfen. 

Unsere Hypothese lautet „Mitarbeitende mit Projektmanagement Know-How und Skills sind erfolgreiche Intrapreneure/Intrapreneurinnen“. Sehen Sie Schnittmengen zwischen PM und Intrapreneurship? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht?

Die Entwicklung von innovativen Ideen aber auch die Umsetzung dieser Ideen haben sicherlich viele Gemeinsamkeiten mit dem PM, da es sich hier ja auch um „Projekte“ handelt. Zudem sind die verwendeten agilen Arbeitsmethoden sicherlich in beiden Bereichen weit verbreitet. Gleichzeitig glaube ich auch, dass es ein paar (größere) Unterschiede gibt. Intrapreneurship Projekte zeichnen sich häufig dadurch aus, dass am Anfang noch gar nicht klar ist, wo die Reise überhaupt hingeht bzw. enden soll. Diese Unsicherheit stellt das Team aber auch die Führungskräfte, welche die Ressourcen etc. bereitstellen müssen, vor besondere Herausforderungen. Bei PM ist dies zu Beginn meistens klarer definiert und Projektfortschritte und Kosten/Aufwands-Analysen lassen sich hier schneller attestieren.
 

Worauf möchten Sie aufmerksam machen, was noch nicht besprochen wurde?

Mir ist wichtig, dass Unternehmen nicht einfach blind dem Marktrend und Wettbewerbern folgen und ein Intrapreneurship-Programm kopieren und einführen. Das One-Size-Fits-All Intrapreneurship Programm gibt es nämlich nicht. Ein gutes Intrapreneurship Programm ist eher wie ein maßgeschneiderter Anzug zu verstehen, der genau auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten des Unternehmens abstimmt ist.

Danke für das Gespräch Professor Isidor!

 

Mehr zur Arbeitsgruppe "Studie Intrapreneurship und Projektmanagement" der Fachgruppe PM-Expertinnen der GPM unter:https://www.gpm-ipma.de/netzwerk/facharbeit/pm-expertinnen

21 Jahre lang widmete sie sich leidenschaftlich dem Projekt- und Prozessmanagement in der Automobilindustrie im internationalen Kontext. Als freiberuflicher Agile Coach und Intrapreneurship Coach unterstützt Guénola Langenberg heute Menschen und Organisationen, Innovationen und Transformationsvorhaben umzusetzen. Sie setzt sich besonders für eine werte-orientierte und co-kreative Zusammenarbeit in Organisationen und Projekten ein.


21 Jahre lang widmete sie sich leidenschaftlich dem Projekt- und Prozessmanagement in der Automobilindustrie im internationalen Kontext. Als freiberuflicher Agile Coach und Intrapreneurship Coach unterstützt Guénola Langenberg heute Menschen und Organisationen, Innovationen und Transformationsvorhaben umzusetzen. Sie setzt sich besonders für eine werte-orientierte und co-kreative Zusammenarbeit in Organisationen und Projekten ein.


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