Stephen Rietiker
– 28.03.2013Ergebnisse einer etwas anderen Projektmanagement-Studie - „Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit“ abgeschlossen
Man hat das Gefühl, dass sich bereits hunderte Studien mit den Erfolgsfaktoren für Projektmanagement auseinandergesetzt haben. Die eine legt den Fokus mehr hierauf, die andere darauf, aber – seien wir mal ehrlich – dem erfahrenen Projektmanager können sie selten neue Erkenntnisse liefern.
Im Rahmen der GPM Forschungswerkstatt im vergangenen November hatten wir deshalb die Idee, den Spieß umzudrehen: Warum nicht die negativen Erfahrungen, die Misserfolgsfaktoren, abfragen? Auf deren Basis lassen sich dann Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen explizit auf die häufigsten bzw. die am schwierigsten zu lösenden Probleme, Herausforderungen, Stolpersteine oder Störfeuer aus der Projektarbeit hin ausrichten.
Die ersten Ergebnisse lieferten einige Überraschungen z. B. zu Teamfähigkeit, Projektmanagement-Software oder Motivation.
Wer nahm an unserer Studie teil?
Vom 18. Dezember 2012 bis zum 31. Januar 2013 haben 151 Personen an der Online-Umfrage teilgenommen. Sie kommen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und vereinzelt aus den Niederlanden und sind v. a. in den Branchen Beratung, IT/Software und in öffentlichen Unternehmen tätig. Sie beschäftigen sich vorwiegend mit Projekten für externe Kunden, gefolgt von internen IT- und Organisationsprojekten.
Auf welche Probleme stoßen die Teilnehmer im Alltag?
Am häufigsten nannten die Teilnehmer das zu den Rahmenbedingungen des Projektmanagements gehörende Problem, dass das Topmanagement das Projektportfoliocontrolling nicht zur Steuerung der gesamten Unternehmensentwicklung nutzt. Rang 2 nimmt ein unvollständiger Ressourcenplan ein.
Das Fehlen regelmäßiger Treffen des Projektteams schätzen die Teilnehmer hingegen als weniger problematisch ein. Ebenso gehört mangelnde Teamfähigkeit zu den selten genannten Problemen. Sind dies nicht beides Faktoren, die an anderen Stellen als erfolgskritisch angesehen werden? Oder sind dies vielleicht frühere Erfolgsfaktoren, die mittlerweile als gegeben angesehen werden können und demzufolge heute keine Erfolgsfaktoren mehr sind?
Die Nennungen betreffend Komplexität aufgrund zu hoher interkultureller Diversität sowohl bei der Häufigkeit (selten) als auch bei der Auswirkung (tief) müssen so interpretiert werden, dass die Teilnehmer eher weniger in interkulturellen Projekten tätig sind.
Großen Einfluss auf den Projekterfolg bzw. den Projektmanagement-Erfolg haben vor allem Projektziele und Projektplanung, Projektleitung/-umsetzung/Steuerung, Projektteam und interne Zusammenarbeit sowie die Zusammenarbeit mit externen Akteuren. Dass das Fehlen einheitlicher Projektmanagement-Softwaresysteme zur Unterstützung des Projektmanagements mit der Belegung des zweitletzten Platzes nur einen schwachen Einfluss auf den Projekterfolg hat, überrascht mich persönlich nicht besonders. Ich frage mich aber, weshalb neben den Herstellern in der Regel auch die Anwender – sprich die Projektleiter – die Tools sehr stark in den Vordergrund stellen.
Am schwierigsten zu lösen sind Probleme im Bereich der Rahmenbedingungen und der Komplexität. So werden z. B. ungenügende Autonomie und nicht ausreichende Entscheidungsbefugnisse der Projekte genannt oder dass Projektarbeit keinen hohen Stellenwert im Unternehmen hat. Beides altbekannte Themen, die offensichtlich weiterhin aktuell sind. Bei der Komplexität sind es v. a. zu hohe externe Änderungsdynamik im Projekt und zu hohe Anzahl projektinterner Parteien, die schwierig zu lösen sind.
Ich interpretiere die Ergebnisse in zwei Richtungen. Erstens ist eine vermehrte Fokussierung auf Kontextkompetenzen in der Qualifizierung von Projektleitern angesagt. Da Projekte nur eingeschränkte Einflussmöglichkeiten auf die häufig ungenügend gestalteten Rahmenbedingungen haben, in denen sie sich bewegen müssen, ist parallel zur Projektleiterausbildung zweitens eine intensivere Organisationsentwicklung notwendig. Nur ein projektfreundliches Umfeld gestattet es professionellen Projektleitern, sich wirklich um das Management ihrer Projekte zu kümmern, statt Aufwand in die Kompensierung ungenügender Rahmenbedingungen stecken zu müssen.
Mehr zu den Ergebnissen finden Sie auf der Website der GPM. Ein ausführlicherer Artikel mit weitergehenden Analysen ist für die Septemberausgabe des GPM Fachmagazins projektMANAGEMENT aktuell vorgesehen.
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