– 24.01.2020

Methodenkompass

Wie man die passende Methode für jede Problemstellung findet und wirkungsvoll einsetzt


Nicht erst durch die Diskussion über moderne Arbeitsformen, agile Zusammenarbeit und die Selbstorganisation von Mitarbeitern sind Methoden wie Scrum, Design Thinking oder Kanban in aller Munde. Dabei ist es keine einfache Aufgabe herauszufinden, welche Methode sich für einen spezifischen Einsatz eignet. Expertenempfehlungen sind meist auf jene Methoden ausgerichtet, die dem Experten selbst vertraut sind oder durch Lizenzmodelle ein auskömmliches Schulungsgeschäft versprechen.

Bei der Suche nach der passenden Methode für die individuelle Problem- oder Aufgabenstellung eines Teams oder einer ganzen Organisationseinheit, soll dieser kleine Methodenkompass behilflich sein. Er erleichtert die Zuordnung und die Entscheidung bei der Auswahl einer passenden Methode mit Hilfe von drei simplen Kategorien.


Drei Typen von Arbeitsqualität

In einem Unternehmen fallen die unterschiedlichsten Aufgaben an. Mal sind Qualitätsprobleme in der Produktion zu beheben. Mal werden neue Produktideen oder gar innovative Neuentwicklungen benötigt, da das bestehende Produktportfolio veraltet ist. Oder strategische Investitionsprojekte müssen von unterschiedlichen Fachbereichen in interdisziplinären Teams umgesetzt werden, um beispielsweise den Eintritt in ein neues Marktsegment vorzubereiten und durchzuführen.

Jede dieser grundsätzlich verschiedenen Arbeitsqualitäten und Anforderungsqualitäten lassen sich in drei Kategorien einteilen.

Kreativarbeit


In der ersten Kategorie können wir alle Anforderungen und Arbeiten zusammenfassen, die einen überwiegend kreativen Charakter besitzen. Es sind Fragestellungen oder Probleme zu denen es keine oder noch keine bekannte Antwort oder Lösung gibt.

Jede Form von Innovation oder Invention fällt in diese Gruppe. Für die Organisation der hier anfallenden Arbeiten ist eine Methode nützlich, die Werkzeuge für kreative Prozesse anbietet und moderiert, ohne auf ein definiertes Ziel oder Ergebnis hinzuarbeiten oder darauf zu fokussieren. Experimentieren, Simulieren, spielerisches Entwickeln und Erproben sind in dieser Kategorie Schlüsselbegriffe, die besonders relevant sind. Dabei sollen Methoden diesen Tätigkeiten Raum geben, sie strukturieren und dabei keinen Fertigstellungstermin vorgeben. Kreativarbeit kann Ergebnisse liefern, stellt deren Entwicklung aber nicht sicher. Definitiv wird Kreativität gefördert, indem die Kommunikation interdisziplinärer Personengruppen unterstützt und deren Kollaboration Ergebnisoffen gestaltet wird. Auf diese Arbeitsqualität spezialisierte Methoden sind beispielsweise TRIZ, LEGO® Serious Play® oder Six Thinking Hats.

Projektarbeit


Ist die Phase der Kreativarbeit abgeschlossen und ein neuer Lösungsweg, ein neues Produkt oder die Antwort auf ein bisher unbekanntes Problem ist gefunden – nein, nicht 42 –,  geht es darum, die Ergebnisse Realität werden zu lassen. Eine dafür passende Kategorie ist hier die Projektarbeit. Ein neues Produkt wird beispielsweise einmalig neu eingeführt. Ist das abgeschlossen wird die Produktion des Produktes immer wieder wiederholt. Aber zu der Kategorie der Regeltätigkeiten kommen wir noch.

In dieser Kategorie geht es darum spezifische Arbeiten einmalig zu erbringen und ein spezifisches, einzigartiges Ergebnis einmalig oder erstmals zu erbringen. Der Bau eines Hauses ist beispielsweise ein derartiges Ergebnis. Alle hierfür benötigten Arbeiten werden in einem Projekt geplant und organisiert.  Relevant ist hier vor allem, dass die zum Einsatz kommende Methode in der Lage ist dynamische Veränderungen aufzunehmen und in die Organisation des Projektes zu integrieren.  Projekte sind hinsichtlich der notwendigen Arbeiten planbar und organisierbar, hinsichtlich des Verlaufs und auftretender Probleme und eintretender Risiken jedoch nicht vorhersehbar. Eine nützliche Methode muss zu diesem Spagat fähig sein.

Passende Schlüsselbegriffe dieser Kategorie sind beispielsweise Dynamik, Einmaligkeit, Expertise, Anpassungsfähigkeit (auch Agilität genannt) oder Reflexion. Auf Projektarbeit spezialisierte Methoden sind unter anderem Lean Project Management, Dynamic System Development Method oder das allseits beliebte und chronisch überforderte Scrum.

Regeltätigkeit


An den Abschluss eines Projektes schließt sich oft die kontinuierliche Durchführung eines Produktionsprozesses, die Bereitstellung einer Serviceleistung oder die repetitive Umsetzung eines Geschäftsprozesses an. Bei unserem fiktiven Hausprojekt kommt nach der Schlüsselübergabe die Wartung und der Betrieb des Gebäudes. Die Handwerker übergeben ihre Arbeitsergebnisse an dies Servicetechniker. Deren Tätigkeiten sind wiederkehrender Natur und können zeitlich und inhaltlich genau geplant und festgelegt werden.

Auch Geschäftsprozesse, wie beispielsweise die Rechnungsstellung, sind wiederkehrende, also repetitive Regeltätigkeiten die inhaltlich und zeitlich geplant und in ihrem Leistungsumfang und -aufwand vorhergesagt und geschätzt werden können.

Repetitive Prozesse zeichnen sich dadurch aus, dass Effizienz, Effektivität und qualitative Aspekte im Vordergrund stehen. Diese Prozesstypen und die damit einhergehende Arbeitsqualität der Regeltätigkeit sollen den Anspruch erfüllen reibungslos, stabil und zuverlässig abzulaufen und nur den notwendigen Aufwand zu verursachen.

Für ein Wirtschaftsunternehmen besitzen zuverlässige Regeltätigkeiten und Regelprozesse, wie das Rückgrat des menschlichen Organismus, eine existenzielle Bedeutung. Eine Tatsache, die im Laufe von Trends zu agilen Arbeitsformen leider immer wieder falsch verstanden und unterschätzt wird.

Um Regeltätigkeiten kontinuierlich weiter zu entwickeln, qualitativ zu verbessern oder zu automatisieren, sind ebenfalls spezifische und sehr ausgereifte Methoden verfügbar. Auf die bereits genannten Schlüsselbegriffen wie Effizient, Effektivität und Qualitätssicherung sind insbesondere Methoden wie Six Sigma und Lean Process Management ausgerichtet.


Nicht nur schwarz oder weiß – Probleme sind bunt

Auch wenn jede Kategorie in sich spezifische Schwerpunkte aufweist, die ihren Charakter auszeichnet, so sind sie dennoch nicht kategorisch zu verstehen oder anzuwenden. Jede Form von Methodendogmatismus ist ebenso kritisch, wie der Glaube an die eine Universalmethode.  Jede Regeltätigkeit kann die Notwendigkeit aufweisen, Kreativarbeit zu fordern. Und auch Projektarbeit kann im Kontext einer repetitiven Prozesskette notwendig sein. Regeltätigkeiten sind auch in Projekten durchaus notwendig.

Die Aufgabenstellung, Anforderung oder das Problem alleine definieren, welche Methode nützlich ist oder welche Methoden miteinander kombiniert werden müssen, um eine spezifische Fragestellung beantworten zu können. Zusätzlich sind einige Methoden dafür geeignet in mehreren Kategorien eingesetzt zu werden. So ist die Customer Journey Map eine ebenso sinnvolle Ergänzung bei der Entwicklung kreativer Ideen, wie bei der Umsetzung eines Projektes oder der Qualitätssicherung eines Vertriebsprozesses oder einer Servicehotline. 

Fazit: Bitte mit Augenmaß


Die unübersehbare Fülle an Methoden, die in den verschiedensten Branchen und Fachgebieten angeboten werden, machen die Auswahl der geeigneten Methode nicht gerade einfach. Löst man sich jedoch von dem Anspruch, die perfekte oder beste Methode für eine Problemstellung finden zu müssen und stellt man das benötigte Ergebnis in den Mittelpunkt, fällt die Entscheidung schon leichter. Es wird dann auch einfacher zu akzeptieren, dass jede Methode für sich immer einen Kompromiss darstellt. Versteht man die verfügbaren Methoden als Werkzeuge, die je nach Arbeitsqualität ausgewählt und miteinander kombiniert werden, so eröffnet sich Möglichkeit einen Werkzeugkasten zu entwickeln, der eine Fülle von Anforderungen eines Unternehmens abdeckt. Entscheidend ist dabei, dass transparent ist, welches Problem vorliegt, welchen Charakter es hat, welche Arbeitsqualität betroffen ist, welches Ergebnis benötigt wird und was hierfür notwendig ist.

Über diesen Weg können „klassischer Methoden“ mit jenen der agilen Bewegung miteinander kooperieren und, anstatt einer dogmatischen Debatte, eine sinnvolle und nützliche Kooperation eingehen.

Andreas Slogar war in 23 Ländern, den USA, Europa, dem Mittleren Osten und Afrika tätig und hat u. a. als CIO umfassende Erfahrung in strategischer und operativer Managementarbeit aufgebaut. Er ist Gründer des Blue Tusker-Expertennetzwerks. Alle Honorare des Netzwerks werden an gemeinnützige und karitative Organisationen gespendet. Slogar ist als Experte auf die Transformation ganzer Unternehmen in einen agilen Kollaborationszustand spezialisiert. Er ist Autor diverser Fachartikel und des Buches „Die agile Organisation“, erschienen im Hanser Verlag.


Andreas Slogar war in 23 Ländern, den USA, Europa, dem Mittleren Osten und Afrika tätig und hat u. a. als CIO umfassende Erfahrung in strategischer und operativer Managementarbeit aufgebaut. Er ist Gründer des Blue Tusker-Expertennetzwerks. Alle Honorare des Netzwerks werden an gemeinnützige und karitative Organisationen gespendet. Slogar ist als Experte auf die Transformation ganzer Unternehmen in einen agilen Kollaborationszustand spezialisiert. Er ist Autor diverser Fachartikel und des Buches „Die agile Organisation“, erschienen im Hanser Verlag.


Kommentare

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25.01.2024 – 19:13

Werner Motzet

Vielen Dank, tolle Zusammenstellung. Kleiner Verbesserungsvorschlag: weil nicht jeder/m gleich klar ist zu welcher "Arbeitsqualität" gehören meine Aufgaben empfiehlt sich die Stacey-Matrix zum Einstieg. Nochmals vielen Dank für den tollen Blogbeitrag und liebe Grüße Werner Motzet