– 26.09.2018

Mitarbeitermotivation, Projektarbeit, Projektteam, Scheitern

Es kommt gar nicht so selten vor: Ein Mitarbeiter bricht seine Zusage und lässt den Projektleiter hängen. So verständlich eine emotionale Reaktion wäre: Es ist besser, einen kühlen Kopf zu bewahren, anstatt dem Mitarbeiter gleich Vorwürfe zu machen. Es kommt jetzt auf eine ebenso überlegte wie unnachgiebige Vorgehensweise an.

Projektleiter Holger H. fragt einen seiner Mitarbeiter, ob er eine Aufgabe übernehmen kann. „Warum gerade ich?“, lautet dessen eher unwirsche Antwort. „Ich habe so viel zu tun. Das kann doch jemand anders erledigen. Außerdem ist das doch überhaupt nicht meine Aufgabe.“ Der Mitarbeiter stellt sich praktisch tot. Nur mit Mühe gelingt es Holger H., ihn doch noch dazu zu überreden.

Zwei Wochen später, zur verabredeten Deadline, muss Holger H. feststellen: Die Aufgabe ist nicht ausgeführt. Er fühlt sich im Stich gelassen, stellt den Mitarbeiter zur Rede. Es kommt zu einem erbitterten Streit, bei dem sich am Ende nicht der Mitarbeiter rechtfertigen muss, sondern Holger H. von seinem Vorgesetzten zurechtgewiesen wird.

In Projekten herrscht meist großer Druck. Oft müssen die Beteiligten die Projektarbeit zusätzlich zum Tagesgeschäft stemmen. In dieser Situation kommt es immer wieder zu Zusagen, die nicht eingehalten werden können. Manche Mitarbeiter scheuen eine offene Diskussion mit dem Projektleiter. Sie wollen aus einer unangenehmen Situation herauskommen und versprechen deshalb, Aufgaben zu erledigen, für die sie eigentlich keine Zeit haben, die sie nicht wirklich wichtig finden, vielleicht auch gar nicht beabsichtigen auszuführen.

Ein Projektleiter sollte eine gebrochene Zusage niemals klaglos hinnehmen. Wenn sich seine Nachgiebigkeit herumspricht, werden andere dem schlechten Beispiel folgen – denn man hat ja gesehen: Der Projektleiter wehrt sich nicht.

Selbstverständlich dürfen Sie verärgert und enttäuscht sein, wenn ein Teammitglied Sie hängen lässt. Schließlich müssen Sie jetzt die Suppe auslöffeln, die Ihnen der Mitarbeiter eingebrockt hat. Trotzdem ist es wichtig, gelassen zu reagieren und dem Mitarbeiter nicht gleich Vorwürfe zu machen. Das heißt aber nicht, klaglos zu kapitulieren: Versuchen Sie stattdessen herauszubekommen, warum der betreffende Mitarbeiter Sie im Stich gelassen hat. Gehen Sie dabei systematisch vor, indem Sie die folgenden vier Möglichkeiten prüfen.

Fall 1 – Er konnte nicht

Könnte es sein, dass Ihr Projektmitarbeiter nicht genau wusste, was er tun sollte? Könnte es sein, dass ihm nicht wirklich klar war, was von ihm erwartet wurde? Wenn ja, dann hat nicht Ihr Mitarbeiter Sie hängen lassen, sondern Sie haben Ihren Mitarbeiter nicht oder nicht ausreichend instruiert. Da ist es kein Wunder, wenn ihm nicht bewusst ist, wie gravierend sich seine Minderleistung auf das Projekt auswirken und welchen zusätzlichen Aufwand er damit verursachen würde.

Das fehlende Können kann sich aber auch auf das Fachwissen und die Fertigkeiten des Mitarbeiters beziehen. Möglicherweise überfordert ihn das Arbeitspaket, mit dem Sie ihn betraut haben. Das führt zwangsläufig dazu, dass er die Aufgabe nicht oder nur unzulänglich erledigt.

Fall 2 – Er wollte nicht

Könnte es sein, dass Ihr Projektmitarbeiter gar keine Lust hat, die ihm übertragene Aufgabe zu erledigen? Könnte es sein, dass er sich vor der Aufgabe drückt? Die Mitarbeit in Projekten hängt stark von der Motivation der Teammitglieder ab, die ja meistens parallel zur Projektarbeit ihr Tagesgeschäft bewältigen müssen. Wer bereits mit seiner eigentlichen Arbeit voll eingedeckt ist und nicht wirklich vom Sinn des Projekts überzeugt ist, wird sich kaum dafür engagieren. Ihm fehlt die Motivation.

Fall 3 – Er durfte nicht

Könnte es sein, dass Ihr Projektmitarbeiter zwar kann und will, aber fremdbestimmt ist? Könnte es sein, dass ihn sein Linienvorgesetzter an der Mitarbeit im Projekt hindert? Nicht selten geben Vorgesetzte einem Mitarbeiter Prioritäten mit auf den Weg, bevor sie ihn ans Projekt „abgeben“. Und das heißt dann: Das Tagesgeschäft oder andere Aktivitäten sind wichtiger als die Projektarbeit. Notgedrungen wird der Mitarbeiter seine Projektaufgaben hintanstellen.

Deutlich wird: In diesem Fall wäre es ungerechtfertigt und kontraproduktiv, dem Projektmitarbeiter Vorwürfe zu machen. Sie träfen den Falschen! Vielmehr steht nun ein Gespräch mit dem Vorgesetzten an, um eine Freistellung des Mitarbeiters zu erreichen.

Fall 4 – Er musste nicht

Der Mitarbeiter meint achselzuckend, es sei ja gar nicht seine Aufgabe gewesen, das zu erledigen. Zur Begründung verweist er auf einen Ablauf oder eine Regelung im Unternehmen. Dieser Fall hätte sich relativ leicht vermeiden lassen: Schon im ersten Gespräch, beim Delegieren der Aufgabe, sollte deutlich werden, wenn ein Mitarbeiter für eine bestimmte Aufgabe nicht zuständig ist.

Erst einmal für Klarheit sorgen

Die Devise lautet also: Ruhe bewahren, wenn ein Mitarbeiter seine Zusage bricht. Auch wenn Sie sich im Stich gelassen fühlen. Weder Drohen noch gutes Zureden hilft. Der Mitarbeiter mag dann zwar eifrig nicken und Besserung geloben, die nächste Zusage hält er deshalb noch lange nicht ein. Prüfen Sie also zunächst, woran es gelegen hat – und reagieren Sie dann gezielt.

Survival-Tipps

•    Bewahren Sie einen kühlen Kopf, wenn ein Mitarbeiter Sie im Stich gelassen hat. Machen Sie ihm nicht gleich Vorwürfe, aber kapitulieren Sie auch nicht klaglos.
•    Finden Sie heraus, warum der Mitarbeiter seine Zusage nicht eingehalten hat. Analysieren Sie die Hintergründe und reagieren Sie dann gezielt.
•    Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Mitarbeiter nicht überfordern, wenn Sie ihnen eine Aufgabe übertragen. Fachwissen und Fertigkeiten müssen gegeben sein.
•    Orientieren Sie Ihre Führungsweise an der individuellen Motivation, damit Ihre Projektmitarbeiter die ihnen übertragenen Aufgaben aus eigenem Antrieb erledigen.
•    Sprechen Sie unverzüglich mit dem Linienvorgesetzten des Mitarbeiters, wenn dieser durch eigene Prioritäten gegenüber dem Mitarbeiter Ihr Projekt torpediert.
•    Klären Sie die Zuständigkeiten, falls ein Mitarbeiter der Meinung ist, er sei für die ihm übertragene Aufgabe gar nicht zuständig.


Mario Neumann fühlt sich als „Projekt-Abenteurer“, seit er seinen Job als Projektleiter vor über 20 Jahren bei Hewlett-Packard antrat. In dieser Zeit und seit 2008 als selbständiger Trainer und Berater entwickelte er sein Konzept für „Situatives Projektmanagement“, mit dem er Projektleiter für alle Phasen ihrer Projekte fit macht. Mit „Projekt-Safari“ legte Mario Neumann ein Handbuch vor, das innerhalb kürzester Zeit zum angesagten Must-have für Projektmanager wurde. In diesem Blog berichtet er über typische Aspekte seiner Arbeit.


Mario Neumann fühlt sich als „Projekt-Abenteurer“, seit er seinen Job als Projektleiter vor über 20 Jahren bei Hewlett-Packard antrat. In dieser Zeit und seit 2008 als selbständiger Trainer und Berater entwickelte er sein Konzept für „Situatives Projektmanagement“, mit dem er Projektleiter für alle Phasen ihrer Projekte fit macht. Mit „Projekt-Safari“ legte Mario Neumann ein Handbuch vor, das innerhalb kürzester Zeit zum angesagten Must-have für Projektmanager wurde. In diesem Blog berichtet er über typische Aspekte seiner Arbeit.


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