– 06.08.2013

Projektmanagement ist (auch) Konfliktmanagement – Teil 2: Kommunikation und Konfliktlösung

Im ersten Teil des Interviews mit Angela Reeg-Muller, Lean Six Sigma Black Belt, Lehrbeauftragte an den Hochschulen München und Erding, gingen wir darauf ein, welche Konflikte es geben kann und wie sich diese auf Projekte/Projektteams auswirken.

Verschiedene Modelle zur Kommunikation, die Reduzierung und Lösung von Konflikten sind im zweiten und abschließenden Teil das Thema.


Max Wolf:
Was ist das Besondere am Sender-Empfänger-Modell?

Reeg-Muller: Zunächst einmal sind sowohl das Sender-Empfänger-Modell wie auch das Vier-Seiten-Modell (auch Vier-Ohren-Modell) von Schulz von Thun sowie der Eisberg der Kommunikation (auch Eisbergmodell) Versuche, mittels einer modellhaften Darstellung zu erläutern, wie Kommunikation funktioniert. Wir haben im ersten Teil festgehalten, dass die Ursache von vielen Konflikten in Missverständnissen liegt. Missverständnisse wiederum entstehen durch Probleme in der Kommunikation. Und deswegen macht es Sinn, sich mit den Kommunikationsmodellen auseinander zu setzen, um besser zu verstehen, wie Kommunikation funktioniert.
Grundsätzlich gibt es bei der Kommunikation zwischen Menschen einen Sender und mindestens einen oder mehrere Empfänger. Der Sender hat eine Absicht, die er mitteilen möchte. Diese Absicht muss er in passende Worte übersetzen – bereits die erste Quelle für Fehlschlüsse – und seine Botschaft dann senden. Wenn wir schlechten Handyempfang haben, wissen wir, dass es auch durch den eigentlichen Sendevorgang zu Missverständnissen kommen kann. Worte werden einfach nicht verstanden.
Der Empfänger muss nun die Botschaft empfangen und dann decodieren, d. h. er muss die Tonfolgen in Worte übersetzen und den Inhalt verstehen. Und jeder Empfänger wird die Botschaft entsprechend seiner Erfahrungen und sprachlichen Fähigkeiten verstehen. Auch interkulturelle Aspekte spielen hierbei eine Rolle.
Sender und Empfänger müssen also auf der gleichen Wellenlänge miteinander kommunizieren, um sich wirklich zu verstehen. Dass es dabei eine Menge an Fehlerquellen gibt, darauf weist das Sender-Empfänger-Modell hin.


Was sagt denn dann das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun aus?

Dieses Modell betont, dass in einer Nachricht „eine Menge drin sein kann.“ Bei diesem Modell wird zwischen der Sachebene, der Appell-Ebene, der Selbstaussageebene und der Beziehungsebene unterschieden.
Die einfache Aussage des Kollegen „Sie machen aber heute früh Feierabend“ kann somit viererlei Aussagen beinhalten. Die Sachebene bezieht sich auf die sachliche Aussage. Das kann z. B. bedeuten: „Normalerweise mache ich um 17.00 Uhr Feierabend. Es ist aber erst 15.00 Uhr. Also stimmt es, ich mache früh Feierabend.“
Es kann aber in dieser Botschaft auch ein Appell enthalten sein nach dem Motto:  „Wie können Sie schon gehen? Arbeiten Sie länger!“ Auf der Beziehungsebene enthält der Satz die Botschaft: „Sie sind aber nicht motiviert, wenn Sie jetzt schon gehen“. Und schließlich gibt es die sog. Selbstoffenbarungsebene, die mit dem Satz „Sie machen aber heute früh Feierabend“ mitteilen möchte: „Ich würde auch gerne nach Hause gehen“.
Jede Nachricht des Senders kann diese vier Ebenen oder Seiten, wie Schulz von Thun es nennt, enthalten.


Wodurch zeichnet sich das Vier-Ohren-Modell aus, zu dem Schulz von Thun sein Vier-Seiten-Modell erweiterte?

Das Vier-Ohren-Modell beschreibt, dass nicht nur die Nachricht des Senders unterschiedliche Inhalte haben kann, sondern, dass der Empfänger eine empfangene Botschaft unterschiedlich verstehen kann.

Die vier Kommunikationsohren sind

  • Das Sach-Ohr, das auf den Inhalt der Nachricht hört
  • Das Appell-Ohr versteht die Sachaussage als Appell, dass der Empfänger etwas tun oder lassen soll.
  • Ist das Selbstoffenbarungs-Ohr beim Empfänger besonders ausgeprägt, hört der Empfänger aus der Nachricht etwas über den Sender der Botschaft heraus, nach dem Motto: „Was ist das denn überhaupt für einer, der mir hier etwas erzählt?“
  • Das Beziehungs-Ohr zieht aus der empfangenen Botschaft Rückschlüsse, wie der Andere zu mir steht.

Je nachdem, welches Ohr besonders ausgeprägt ist, wird die Botschaft anders aufgenommen.
Es gibt also eine Menge an Fehlerquellen und Ursachen für Missverständnisse in der Kommunikation.


Was sagt uns das Eisbergmodell der Kommunikation?

Dieses Modell stellt fest, dass etwa 10 % den Inhalt der Nachricht ausmachen, die restlichen 90 % beziehen sich auf Gefühle, Bedürfnisse, Urteile, Vorurteile, Wünsche, Motive usw.
Das bedeutet, dass das Appell-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungs-Ohr sozusagen unter der Wasseroberfläche des Eisbergs anzusiedeln ist, das Sach-Ohr oberhalb.


Was kann vorbeugend getan werden, um Konflikte zu reduzieren?

Die Projektleitung hat eine wichtige Rolle bei der Konfliktvorbeugung und kann eine Menge tun, um voraussehbares Konfliktpotenzial möglichst zu begrenzen.
Gleich zu Beginn die Projektziele zu klären, ist für jeden erfahrenen Projektleiter eine Voraussetzung.

Die Projektleitung muss die jeweiligen Interessen würdigen, indem sie zuhört und Verständnis zeigt. Sie fordert die Konfliktparteien auf, gemeinsame Interessen zu finden. Das kann z. B. das Projektziel oder ein Zwischenziel sein.
Die Lösungssuche sollte den Konfliktparteien überlassen und nicht vom Projektleiter vorgegeben werden. Selbstgefundene Lösungen werden umgesetzt und nachhaltiger beibehalten als Lösungen, die von jemand anderem vorgeschrieben werden.
Allerdings muss sich der Projektleiter versichern, ob eine Lösung vereinbart und umgesetzt wurde.

Ich danke Ihnen, Frau Reeg-Muller, für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.

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Über Angela Reeg-Muller:

Wenn er darüber hinaus dafür sorgt, dass auch jedes Teammitglied die Ziele und den Projektauftrag versteht, ist er schon einen Schritt weiter. Außerdem müssen zu Anfang die Rollen und Verantwortlichkeiten geklärt werden. RACI ist ein mögliches Tool, um diese Klärung im Team herbeizuführen und gleichzeitig zu visualisieren. Prozesse, z. B. wie oft die Teamsitzungen stattfinden, wer protokolliert, in welcher Form und ähnliche Abläufe müssen geklärt und verbindlich verabredet werden. Sehr hilfreich ist es auch, Grundregeln aufzustellen. Die Grundregeln werden mit dem Team gemeinsam erarbeitet und beschlossen.
Und schließlich sollte die Projektleitung darauf achten, hin und wieder Raum zu schaffen zur Stärkung der zwischenmenschlichen Beziehungen z. B. bei einem gemeinsamen Teamessen.
Eine Feedback-Kultur einzuführen ist zudem eine Möglichkeit, dass die Teammitglieder erfahren, wie sie auf die Anderen wirken.


Welche Vorgehensweisen zur Konfliktlösung führen in die Irre?

Ich habe während meiner Tätigkeiten als Coach von Projektleitern folgende Konfliktlösungsversuche beobachtet, die nicht zum Erfolg führen:

  • Laissez-faire: Der Projektleiter sieht weg nach dem Motto: „Die werden sich schon wieder vertragen.“
  • An die Vernunft appellieren: „Wir müssen doch weiter kommen. Und Ihr müsst miteinander klar kommen.“
  • Durchgreifen mit einem Machtwort: „Das macht Ihr jetzt so und basta!“
  • Drohung: „Wenn Ihr nicht sofort wieder vernünftig arbeitet, dann…“

Diese vier Wege führen nicht zu einem Ergebnis. Nach meiner Erfahrung ist ein Konfliktlösungsgespräch ein Erfolg versprechender Ansatz.


Wie soll die Projektleitung das Konfliktgespräch führen?

Ein Konfliktlösungsgespräch kann nach dem Motto: „Beziehung herstellen – Inhaltliches klären – Lösungen beschließen“ durchgeführt werden. Wenn der Projektleiter die Konfliktparteien zu sich bestellt, eröffnet er das Gespräch mit ein wenig Small Talk, um Beziehung herzustellen und nicht gleich mitten in den Konflikt hineinzuspringen. Er führt dann das Gespräch auf das Konfliktthema hin. Dabei sollte er die beiden befragen, ob sie willens sind, den Konflikt zu lösen. Verneint einer der beiden dies, so macht es keinen Sinn, das Gespräch weiter zu führen. Gemeinsame Konfliktlösung ist nur dann möglich, wenn beide es versuchen wollen.
Nun können die beiden Parteien aus ihrer Sicht den Konflikt darstellen, um dann gemeinsam eine Lösung zu suchen.


Wie schaut die Konfliktlösung aus Sicht der Projektleitung aus?

Frau Dipl.-Volksw. Angela Reeg-Muller ist Geschäftsführerin der Exzellenta GmbH, Fischbachau. Frau Reeg-Muller hat sich spezialisiert auf Lean-Methoden in Service und Verwaltung. Lean ist mehr als Tools und Methoden; es geht um Respekt vor den Mitarbeitern und eine entsprechende Führungskultur. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als zertifizierter Lean Six Sigma Black Belt hat sie umfangreiche Erfahrung im Coachen von ProjektleiterInnen der Verbesserungsinitiativen sammeln können. Dabei ist sie immer wieder auf Gründe gestoßen, warum einige Teams erfolgreicher agieren als andere. Oder bezogen auf unser Thema, was in den Teams zu Konflikten führen kann und wie Konflikte bearbeitet werden können.
Frau Reeg-Muller berät Unternehmen bei der Einführung von Lean Administration und Lean Service. Sie führt Lean und Six Sigma Qualifizierungen durch – Trainings und Coaching – neben den Tools und Methoden mit Schwerpunkt auf den Soft Skills wie z. B. Teamentwicklung, Moderation, Kommunikation. Sie ist Lehrbeauftragte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München und an der Fachhochschule für angewandtes Management Erding mit den Themen „Sozialkompetenzen in Projekten“ und „Lean Administration – eine Führungsphilosophie“.

Max L. J. Wolf schreibt im GPM Blog zum Thema PM-Praxis. Er war Mitglied der Leitung der GPM Region München. Als Berater und Trainer für Projektmanagement hat er einen großen Einblick in die praktische Arbeit vieler Projekte in Deutschland. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher z. B. zu kleinen Vorhaben, Projektmoderation und Zeitmanagement veröffentlicht.


Max L. J. Wolf schreibt im GPM Blog zum Thema PM-Praxis. Er war Mitglied der Leitung der GPM Region München. Als Berater und Trainer für Projektmanagement hat er einen großen Einblick in die praktische Arbeit vieler Projekte in Deutschland. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher z. B. zu kleinen Vorhaben, Projektmoderation und Zeitmanagement veröffentlicht.


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