– 02.07.2012

Stakeholdermanagement – berechtigte Interessen müssen behandelt werden

Dieser Beitrag ist der zweite Teil einer dreiteiligen Serie, die sich mit dem Projektumfeld beschäftigt. Nachdem im ersten Teil die Analyse des Projektumfelds behandelt wurde, beschäftigt sich dieser Teil mit der Stakeholderanalyse. Der letzte Beitrag der Reihe wird die Risikoanalyse behandeln.

Es ist kein Geheimnis, dass die Ursachen für ein Scheitern von Projekten seltener im technisch-methodisch Umfeld zu suchen sind, sondern eher im sozialen Projektumfeld. Aus diesem Grund ist es meist unverzichtbar, die Projektumfeldanalyse durch eine Analyse der wichtigsten Interessensgruppen zu vertiefen. Dabei ist zunächst einmal wichtig zu verstehen, wer überhaupt zu den Stakeholdern eines Projektes zu zählen ist. Dazu gehören natürlich die unmittelbar Beteiligten und Betroffenen des Projektes. Eine Beschränkung auf diesen engen Kreis reicht aber meist nicht aus, da durchaus noch deutlich mehr Personen ein Interesse am Projekt haben können. Andererseits kann nicht jeder wie auch immer interessierte Mensch als Stakeholder eines Projektes angesehen werden. An einem großen, öffentlichkeitswirksamen Projekt, wie Stuttgart 21 oder dem Bau der neuen Landebahn am Flughafen Frankfurt kann praktisch jeder Bürger interessiert sein, schon alleine, wenn er sich für Eisenbahntechnik oder die Luftfahrt im Allgemeinen interessiert. Aus Projektsicht wäre die Einbeziehung all dieser Interessierten dagegen weder sinnvoll, noch angemessen und schon gar nicht praktisch umsetzbar. Im Projektmanagement sollte aus diesem Grunde bei der Abgrenzung der Stakeholder auf ein berechtigtes Interesse am Projekt oder den Projektergebnissen geachtet werden. Somit würde ein lediglich Eisenbahninteressierter nicht in die Stakeholderanalyse einbezogen, ein Anrainer des neuen Bahnhofs oder einer neuen Trasse dagegen sehr wohl.

Wie bereits im letzten Beitrag dargestellt wurde, wirken auf ein Projekt verschiedene sachliche und soziale Umweltfaktoren ein. Im Rahmen der Stakeholderanalyse werden im Anschluss an die Umfeldanalyse die sozialen Faktoren vertieft.

Wie führt man nun sinnvollerweise eine Stakeholderanalyse durch? Generell werden fünf Prozessschritte durchlaufen:

  1. Identifikation der Stakeholder (s. Umfeldanalyse)
  2. Informationssammlung
  3. Analyse und Bewertung der Stakeholder
  4. Planung von Maßnahmen zum Stakeholdermanagement
  5. Überwachung und Erfolgskontrolle der Maßnahmen

Aus der Projektumfeldanalyse haben wir im Idealfall bereits eine Liste sozialer Umfeldfaktoren, ggf. bereits differenziert nach internen und externen Personen oder Gruppen und/oder nach direkt bzw. indirekt betroffenen oder beteiligten Personen. Diese werden nun näher betrachtet. Fallen uns im Rahmen der Analyse weitere, bislang nicht berücksichtigte Stakeholder ein, so müssen diese auch in der Umfeldanalyse ergänzt werden. Bei der Betrachtung und Analyse der einzelnen Gruppen sammeln wir gezielt Informationen und Einschätzungen, um mit dem Stakeholder in geeigneter Weise umzugehen, so dass das Projekt erfolgreich durchgeführt werden kann. Die Informationen sollten in Tabellenform dokumentiert werden, wobei wir für jeden Stakeholder eine Zeile vorsehen. Generell ist die Vergabe einer ID sinnvoll, z. B. S1 bis Sn.

Bei kleinen Projekten mit sehr wenigen Stakeholdern mag der Aufwand einer systematischen Analyse überzogen erscheinen, weil man vier oder fünf Personen noch ganz gut im Blick haben kann. Zuweilen ist der Kreis der Stakeholder jedoch sehr groß und unübersichtlich. Dann kann man nicht für jeden einzelnen eine detaillierte Analyse durchführen und individuelle Maßnahmen vorbereiten. Stattdessen sollte man die Stakeholder klassifizierend bewerten und Normstrategien für den Umgang mit Ihnen ableiten. In diesem Zusammenhang gibt es einige bewährte Handlungsstrategien, mit denen Stakeholder behandelt werden können. Dazu gehören:

  • Partizipative Strategie: Die Stakeholder werden vom Projektleiter intensiv in Kommunikationsprozesse eingebunden und an wichtigen Entscheidungen im Projekt beteiligt. Die Kommunikation erfolgt dabei häufig im Dialog, also wechselseitig. Diese Strategie ist für mächtige Stakeholder, insbesondere für den oder die Auftraggeber geboten.
  • Diskursive Strategie: Diese Strategie eignet sich besonders für Stakeholder, die einen hohen Einfluss geltend machen können, aber dem Projekt eher skeptisch oder kritisch gegenüber stehen. Hier wird ein intensiver Diskurs angestrebt mit dem Ziel, bestehende Vorbehalte auszuräumen oder abzuschwächen und einen negativen Einfluss auf das Projekt im Vorfeld zu vermeiden.
  • Repressive oder auch restriktive Strategie: Diese Handlungsmaxime wird auf Stakeholder angewendet, deren Einfluss auf das Projekt eher begrenzt ist. Hier muss man darauf achten, dass der Aufwand für die Behandlung der Stakeholder angemessen bleibt. Dies kann meist durch den Verzicht auf beidseitige Kommunikation erreicht werden. Die Stakeholder werden vielmehr durch Newsletter, Präsentationen und Bekanntmachungen regelmäßig informiert.

In den meisten Projekten reichen die oben aufgeführten Strategien für ein Stakeholdermanagement aus. Aus diesem Grund sollte man nicht unnötigen Aufwand in eine aufwändige Bewertung der Stakeholder mit differenzierten Bewertungsskalen stecken. Zuweilen schießen Projektleiter nämlich weit über das Ziel heraus, indem sie Interessen, Macht und Einfluss, Einstellung zum Projekt, persönliche Betroffenheit und weitere Faktoren auf sehr differenzierten Skalen bewerten und tabellarisch dokumentieren. Wirkungsvoller ist meist eine ganz einfache Form der Analyse, die im Folgenden beispielhaft skizziert wird. Kern dieses Ansatzes ist eine einfache Vier-Felder-Matrix, wie sie in der Abbildung abgebildet ist:

Diese Vier-Felder-Matrix ermöglicht es dem Projektleiter, auch eine größere Anzahl von Stakeholdern so einzuteilen, dass er Handlungsstrategien für den Umgang mit den sich ergebenden Stakeholdergruppen ableiten kann.

Wichtig sind dabei vor allem die Stakeholder, die einen hohen Einfluss auf das Projekt nehmen können. Diese teilen sich grob in Promotoren und Opponenten des Projekts auf. Promotoren nehmen üblicherweise großen Einfluss und Anteil an den Projektzielen und werden daher partizpativ eingebunden. Für (potenzielle) Opponenten bietet sich dagegen eine diskursive Strategie an, um für Projektinhalte und -ziele zu werben und auch um sachliche Kompromisse zu erzielen. Für Stakeholder mit geringem Einfluss bieten sich restriktive Kommunikationsstrategien und ggf. ein repressives Stakeholdermanagement an. Das klingt im ersten Augenblick negativ, ist aber gar nicht so gemeint. Auch diese Stakeholder muss man in die Kommunikation einbinden, allerdings kann man sich für diese Gruppen nicht so viel Zeit nehmen. Somit scheidet ein intensiver wechselseitiger Dialog mit diesen Stakeholdern aus. Sinnvoll ist vielmehr eine regelmäßige einseitige Information beispielsweise über Newsletter, Rundschreiben oder Projektinformationsseiten im Intranet.

Im letzten Teil der Serie werde ich auf die Risikoanalyse eingehen.


Literatur zum Thema Stakeholderanalyse:

  • Ellmann S, Behrend F, Hübner R, Weitlaner E: 1.02 Interessensgruppen/Interessierte Parteien, in: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (Hrsg.): Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3), Handbuch für die Projektarbeit, Qualifizierung und Zertifizierung auf Basis der IPMA Competence Baseline V. 3.0, 1. Aufl., Nürnberg, Bd. 1, S. 81-105
  • Tiemeyer E (2002): Projekte erfolgreich managen. Methoden, Instrumente, Erfahrungen, Beltz 2002
  • Cronenbroeck W (2011): Training kompakt: Projektmanagement – Standards, Projektdurchführung, Kommunikation, Cornelsen, ISBN 978-3589239320
  • Patzak G, Rattay G (2004): Projektmanagement – Leitfaden zum Management von Projekten, Projektportfolios und projektorientierten Unternehmen, 4., wesentlich überarbeitete und ergänzte Auflage, Linde Verlag Wien 2004

Dr. Jörg Seidl ist Zertifizierter Senior Projektmanager (IPMA Level B). Er leitet die GPM Fachgruppe Multiprojektmanagement, ist PM-ZERT Assessor und Fachtrainer in der GPM Berater-Ausbildung. Er berichtet insbesondere zu Fragen des Multiprojektmanagements sowie aktuellen Themen aus der Projektpraxis.


Dr. Jörg Seidl ist Zertifizierter Senior Projektmanager (IPMA Level B). Er leitet die GPM Fachgruppe Multiprojektmanagement, ist PM-ZERT Assessor und Fachtrainer in der GPM Berater-Ausbildung. Er berichtet insbesondere zu Fragen des Multiprojektmanagements sowie aktuellen Themen aus der Projektpraxis.


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