– 25.07.2022

Wie Organisationen und Unternehmen innovativ werden und bleiben [Teil 2]

 

Auf dem Weg zum innovativen Unternehmen und welche Rolle Projektmanagement dabei spielen kann.

 

„Innovationen sind die wichtigste Triebkraft für Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität.“ [1]. Aber warum sind manche Organisationen oder Unternehmen innovativer als andere? Und warum gelingt es einigen Wenigen offenbar leichter und immer wieder, innovative Produkte auf den Markt zu bringen? Weshalb sind viele größere Unternehmen nicht mehr so innovativ? Was sollte man tun?

Die Mehrzahl an Organisationen wollen zwar innovativ sein, gestehen sich aber ein, dass sie mehr tun müssten. Wie im vorangegangenen ersten Teil dieses Beitrags ausgeführt, mangelt es an der Umsetzung von Innovationen in den Organisationen. Im Folgenden soll nun ein weiterer Ansatz zur Umsetzung von Innovationen beschrieben und ferner die Umsetzung von Innovationen betrachtet werden. Es geht darum, welche Voraussetzungen Unternehmen schaffen müssen: etwa durch Führungsstil sowie Managementsysteme, -methoden und -praktiken eine kulturelle Basis samt Prozessen und Strukturen zu errichten, die die Innovationsfähigkeit fördern. Schließlich werden auch Auswirkungen und Ansätze für das Projektmanagement beleuchtet.

Da Innovation ein komplexes, unternehmensweites Unterfangen ist, bedarf es einer Reihe von übergreifenden Praktiken und Prozessen, um sie zu strukturieren, zu organisieren und zu fördern. McKinsey hat hierfür auf der Grundlage von Befragungen und Recherchen acht wesentliche Elemente identifiziert, die innovative Unternehmen ausmachen.[2]

Acht Grundvoraussetzungen für innovative Unternehmen


Es ist quasi ein (offenes) Betriebssystem für innovative Unternehmen, wie es die Berater selbst umschreiben. Dabei handelt es ich um Praktiken, die sich oft überschneiden und wiederholen, aber weder aufeinander aufbauen noch sich kategorisieren lassen. Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens ist umso größer, je mehr es von diesen Merkmalen anwenden und seine eigene Art und Weise kombinieren kann – in der jeweiligen Situation, mit seinen Fähigkeiten sowie seiner Organisationskultur. Die englischen Begriffe lauten: 1) Aspire, 2) Choose, 3) Discover, 4) Evolve sowie 5) Accelerate, 6) Scale, 7) Extend und 8) Mobilize.

Die Faktoren lassen sich in zwei Kategorien gruppieren – strategische Faktoren, „was“ bei der Umsetzung zu tun ist, sowie organisatorische Elemente, die das „wie“ beschreiben. Die ersten vier Elemente, die strategischer und kreativer Natur sind, helfen bei der Festlegung und Priorisierung der Bedingungen:
 

 

Was kann man tun, um Innovation am besten zu fördern? 

 

1. Unternehmen sollen ein Innovationsziel setzen und mit Kennzahlen versehen

Ein Beispiel hierfür ist US-Präsident John F. Kennedys Ziel, „noch bis Ende der 1960er Jahre zum Mond zu fliegen". Zusätzlich muss das quantitative Innovationsziel den jeweiligen "Ownern“ im Management des Unternehmens zugewiesen und in Form von Leistungszielen und Zeitvorgaben in Organisationen bis auf Produktgruppen heruntergebrochen werden


2. Auswählen von Projekten aus dem Portfolio und dafür Ressourcen bereitstellen

Dies ist den Beratern zufolge schwieriger als die zuvor erfolgte Ideenfindung. Denn beim Priorisieren kommt es nun darauf an, aus einem Portfolio an Innovationsinitiativen die Projekte mit dem größtmöglichen Nutzen auszuwählen und Risiken zu managen, weil Innovation von Natur aus risikoreich ist. Zugleich müssen Führungskräfte einige Randbedingungen für die Chancen schaffen, die sie erkunden wollen. 

Projektmanagementlösungen können die Unternehmen dabei unterstützen, erstens den Governance-Prozess im Hinblick auf Regeln und Termine zu gestalten sowie zweitens Transparenz über die Daten zu erzielen – etwa über Ressourcenkapazitäten (woran die Mitarbeiter arbeiten). Ziel sollte es sein, dass Unternehmen bei der Auswahl ihres Portfolios an Innovationen sich auf die Projekte mit dem höchsten Erfolgspotenzial zu konzentrieren und diese mit den entsprechenden Ressourcen auszustatten.


3. Entdecken und systematisches Suchen nach Erkenntnissen zum Problem, Technologie und Geschäftsmodell

Unternehmen sollten in den Prozess investieren, wie sie am besten Erkenntnisse über marktfähige Innovationen gewinnen: ein wertvolles Problem, das es zu lösen gilt, eine Technologie, die eine Lösung ermöglicht, und ein Geschäftsmodell, mit dem sich Geld verdienen lässt. Der Entdeckungsprozess ist iterativ. Er ist zwingend, um Innovationsinitiativen umsetzen zu können. Dabei kann der aktive Einsatz von Prototypen Unternehmen dabei helfen, bei der Entwicklung, Prüfung, Validierung und Verfeinerung ihrer Innovationen weiterzulernen. Dieser Prozess der Erkenntnisgewinnung sollte auch über die Grenzen eines Unternehmens hinausgehen, ein Ökosystem aufbauen und Partnerschaften zur Gewinnung von Erkenntnissen umfassen.


4. Entwickeln von profitablen Geschäftsmodellen

Für Unternehmen ist es empfehlenswert zusätzlich zu Produkt- und Prozessinnovationen verstärkt proaktiv nach neuen Geschäftsmodellen zu suchen, um beispielsweise parallel zum Kerngeschäft auf einem anderen Feld neue Kunden zu gewinnen. Damit verringern sie die Gefahr, zu stark von ihrem Kerngeschäft abhängig zu sein, welches durchaus von disruptiven Entwicklungen gefährdet sein und hinweggefegt werden könnte. Beispiele für Geschäftsmodellinnovationen finden sich in der Medienbranche. Viele Zeitungsverlage, angefangen bei New York Times bis hin zu beispielsweise in Deutschland brand eins haben neben den Print-Abonnements nun zusätzliche Einkommensströme, die sie aus Contentsyndizierung, Digitalabos oder Zusatzgeschäften mit den Kunden generieren.

Die nächsten vier Grundvoraussetzungen befassen sich mit der Frage, wie Innovationen im Laufe der Zeit wiederholt und mit ausreichendem Wert bereitgestellt und organisiert werden können, um einen bedeutenden Beitrag zur Gesamtleistung zu leisten.



Wie Innovationen erfolgreich organisiert werden


5. Beschleunigen

Um erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen ihre Innovationsprojekte beschleunigen, indem sie eine Unternehmenskultur etablieren, die eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit fördert. 

Hierzu benötigen sie einen gut vernetzten Manager, Projektleiter, der die Verantwortung für ein Projekt übernimmt und für das Budget, die Markteinführung und die wichtigsten Spezifikationen zuständig ist. Darüber hinaus muss das Projektteam nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis funktionsübergreifend sein. Das bedeutet, dass die Mitglieder des Teams an einem einzigen Ort zusammenkommen und dem Projekt einen erheblichen Teil ihrer Zeit widmen, um eine Kultur zu fördern, die den Erfolg des Innovationsprojekts über den Erfolg der einzelnen Funktionen stelltZudem kann die funktionsübergreifende Zusammenarbeit dazu beitragen, dass bei Bedarf die Endkunden während des gesamten Entwicklungsprozesses einbezogen werden. 


6. Skalieren, samt umfassender Planung des Markteintritts

Bei der umfassenden Planung und Finanzierung des Markteintritts sollten Unternehmen unbedingt gemäß der jeweiligen Größenordnung und Reichweite der zu vermarkteten Idee berücksichtigen, dass das richtige Ausmaß an Ressourcen investiert werden kann. Es müssen Ressourcen und Fähigkeiten mobilisiert werden, um sicherzustellen, dass ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung schnell in der gewünschten Menge und Qualität geliefert werden kann. Darüber hinaus sollten Produktionsstätten, Zulieferer sowie Händler darauf vorbereitet sein, dass die Markteinführung schnell und vollständig abläuft.

Projektmanagement-Lösungen können Planer und Projektverantwortliche insbesondere bei bestimmten routinemäßigen Vorgängen unterstützen, indem Vorlagen bereitgestellt werden.


7. Erweitern

Angesichts kurzer Markteintrittszeiten und knapper Ressourcen sind Unternehmen zunehmend bestrebt, Innovationen über externe Partnerschaften zu entwickeln, ferner verschiedene Netzwerke aufzubauen, bis hin zum eigenen Ökosystem.

So haben zum Beispiel Unternehmen in der IT-Branche in den letzten 20 Jahren erkannt, dass sie bei der Entwicklung von Innovationen erfolgreicher und effizienter sind, wenn sie auf die Fähigkeiten von externen Partnern zurückgreifen können. In der IT-Consumer-Industrie wurden beispielsweise die Komponenten des ersten iPod von Apple fast vollständig außerhalb des Unternehmens entwickelt. Indem Partner an Komponenten mitentwickeln, lassen sich nicht nur Ideen schneller umsetzen, sondern auch Entwicklungszyklen verkürzen und Kosten einsparen. Dadurch, dass Unternehmen ihre Netzwerke weiter ausbauen und ganze Ökosysteme errichten, können Sie ihre Entwicklungspartnerschaften künftig auch flexibler für einzelne Innovationsphasen konfigurieren.


8. Mobilisieren der Beschäftigten

Um innovatives Verhalten und Denken bei den richtigen Personengruppen zu stimulieren, zu fördern, zu unterstützen und zu belohnen, setzen führende Unternehmen beispielsweise direkt bei Anreizsystemen in Projekten an, wo eine enge Verbindung zwischen Innovation, Strategie und Leistung besteht. Gemeinsame Kennzahlen können die Fokussierung der Projektmitglieder fördern.

Um Zusammenarbeit, Lernen und Experimentieren zu fördern, ist als weitere Maßnahme möglich, die Projektmitglieder so zusammenzubringen, dass sie ihre Ideen und Wissen ungehindert und bestmöglich austauschen können.

 

Erfolgsfaktor Unternehmenskultur

Was macht nun eine erfolgreiche Unternehmenskultur aus? Diese Frage wurde 2011 rund 200 Innovationsverantwortlichen unterschiedlichster Branchen gestellt und die Ergebnisse in einer Fallstudie von veröffentlicht.[8] Jens-Uwe Meyer hat darin auch stichpunktartig zusammengefasst, was innovative Unternehmen von ihren Wettbewerbern unterscheidet. 


Was unterscheidet innovative Unternehmen von ihren Wettbewerbern?

  • Innovation erfordert Anstrengung. Sie braucht eine klare Vision und die nötige Unterstützung der Unternehmensleitung.
  • Kurze Entscheidungswege und flache Hierarchien erleichtern die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen.
  • Teams mit kreativen Aufgaben brauchen Eigenverantwortung und den nötigen Freiraum von ihren Vorgesetzten.
  • Innovation kommt von Menschen, die Ideen, Mut und Leidenschaft haben. Die richtigen Strukturen und Prozesse können dabei lediglich unterstützend wirken.
  • Genügend Ressourcen allein garantieren noch keinen Innovationserfolg.
  • Die heterogene Zusammensetzung von Teams begünstigt die Entstehung neuer Ideen.
  • Unternehmerische Anreize müssen verstärkt die qualitative wie quantitative Innovationsleistung der Mitarbeiter berücksichtigen.
  • Tolerieren Sie auch schlechte Ideen: Sie sind Wegbereiter für die guten.
  • Eine offene Kommunikationskultur mit einem Austausch über Abteilungsgrenzen hinweg fördert neue Ideen.
  • Wer Innovation will, muss auch bereit sein, Risiken einzugehen.




[1] „Innovationen sind die wichtigste Triebkraft für Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ (Paul M. Romer, Universität Stanford). Romer erhielt 2018 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaft der Schwedischen Reichsbank. de.wikipedia.org/wiki/Endogene_Wachstumstheorie

[2] Marc de Jong, Nathan Marston, and Erik Roth (2015) The eight essentials of innovation, Mc Kinsey Quarterly, April 1, 2015; https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-finance/our-insights/the-eight-essentials-of-innovation

[3] Matt Banholzer (2022), In conversation: The CFO’s critical role in innovation – Interview;

Mc Kinsey; https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-finance/our-insights/in-conversation-the-cfos-critical-role-in-innovationhttps>http://www.rodrigocordero.org/de/die-10-arten-von-innovationen/http od. Deloitte (2022)

[6] Dr. Volker Zimmermann, Dr. Jörg Thomä (2019), Die Unternehmensperformance unterschiedlicher Typen von kleinen und mittleren Innovatoren, in: KfW Research, Fokus Volkswirtschaft, Nr. 265, 28. August 2019. Die KFW Studie hat dargestellt, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hinsichtlich ihrer Innovationstätigkeit eine sehr heterogene Gruppe sind. Sie unterscheiden sich stark bei den Inputs in den Innovationsprozess und damit in der Art und Weise, wie sie ihr für Innovationen benötigtes Wissen aufbauen. [7] Curtis Ray Carlson, William W. Wilmot (2006) Innovation: The Five Disciplines for Creating what Customers Want, Crown Business, New York [8] Jens-Uwe Meyer (2011) Erfolgsfaktor Innovationskultur: Das Innovationsmanagement der Zukunft - Corporate Creativity Studie, BusinessVillage Publishing, Göttingen

Dr. Andreas Tremel ist Gründer und Geschäftsführer der InLoox GmbH, eines in München ansässigen Unternehmens, das die gleichnamige Projektmanagement-Software entwickelt und vertreibt.


Dr. Andreas Tremel ist Gründer und Geschäftsführer der InLoox GmbH, eines in München ansässigen Unternehmens, das die gleichnamige Projektmanagement-Software entwickelt und vertreibt.


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