Dr. Klaus Wagenhals
– 31.07.2013Alle sagen es: Kommunikation im Projekt ist wichtig oder sogar erfolgskritischer Faktor – aber warum wird’s nicht so gelebt?

Die Studie von cetacea in Zusammenarbeit mit Atreus interim Management und der GPM erbrachte u. a. die nicht neue Erkenntnis, dass Kommunikation im Projekt eine zentrale Größe ist für den Erfolg des Projekts.
Wer wollte das bestreiten?
Bereits in zahlreichen vergangenen Studien wurde dieselbe Erkenntnis gewonnen – also müsste man an eine neue Studie, die im Herbst 2012 mit Unterstützung von 754 Projektmanagern zustande kam, höhere Erwartungen haben in Bezug auf die Klärung der Frage: „Woran liegt’s, dass heute noch immer ein derartig starker Unterschied zwischen der Erkenntnis über die Bedeutung von Kommunikation und der realen Umsetzung dieser Erkenntnis liegt?“
Die Ergebnisse finden Sie übrigens hier: Studienergebnisse Projektkommunikation
Nehmen wir zunächst das von cetacea präsentierte Datenmaterial und bürsten es – da, wo es nützlich erscheint – quer:
Wenn nach den verschiedenen Aufgaben von Kommunikation im Projekt gefragt wird und sich mehr als 50 % der Nennungen auf verschiedene Aspekte von Information beziehen, dann ist damit zwar in der Tat einer der wichtigsten Faktoren von Kommunikation benannt, es wird aber leider nicht konkret nachgefasst, um herauszufinden,
- ob bzw. für wie viele der Befragten Kommunikation mit Information assoziiert oder sogar gleichgesetzt wird
- wie der Informationsgegenstand von den an dem Informationsprozess Beteiligten bewertet wird – welche Bedeutung er also hat und wie insofern die gegebene Information auch tatsächlich aufgenommen wird/wurde.
Man weiß aus anderen Studien und eigenen Erfahrungen, dass das Verständnis von Kommunikation bei Projektmanagern leider oft eine Begrenzung auf „reine“, „objektive“ Fakten erfahren hat. Insofern haben viele Projektmanager die Hoffnung, dass ein tolles IT-Tool viele ihrer Probleme in diesem Bereich löst. Erleichterung kann durchaus erwartet werden, aber trotz Nutzung moderner Informations- und Austausch-Plattformen und ausgeklügelter Darstellungsformen von Projekt-Daten bei Projekt-Evaluationen wird der Umgang mit der Vielfalt der Informationen oft eher schlecht bewertet – und genau das hätte in der vorliegenden Studie thematisiert werden müssen.
Man weiß nämlich gleichzeitig, dass Information nichts Objektives ist, sondern hochgradig subjektiv gefärbt ist: Sie ist immer durch die Weltsicht, die aktuelle Situation und Stimmung des Wahrnehmers und Informierers geprägt. Insofern hätte man bei einer derartigen Untersuchung mindestens stichprobenweise die Informierten bzw. die im Informations- und Kommunikationsprozess Involvierten einbeziehen müssen. Nur so kann man weitergehende Hinweise bekommen, wie diese Informationen ankommen/angekommen sind und wie sie – grade unter dem Aspekt „gute Projektkommunikation“ – bewertet werden. Nur so würden sich nützliche Handlungsanleitungen für die Überwindung von überall formulierten Defiziten herausfiltern lassen.
Wenn weiterhin fast noch mehr Nennungen bei der Aufgabe „Motivation und Einbindung von Projekt-Mitarbeitern…“ erfasst wurden (nimmt man die Nennungen bei „Alignement…“ dazu, sind es über 100 %), dann kann man sagen, dass die Projektmanager die Hauptaufgaben der Kommunikation im Projekt erkannt haben. Leider wird aber auch hier auf eine Vertiefung mit der Nachfrage „wie ist es gelungen…“ verzichtet und leider auch auf die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen diesem Ergebnis und der relativ niedrigen Zahl der Nennungen bei dem Faktor „Führung“.
Weil ja viele der genannten Kommunikationsaufgaben unterschiedliche Rollenaspekte von Führung darstellen (und nicht umgekehrt), könnte man die Hypothese wagen, dass die befragten Projektmanager mehrheitlich diesen Zusammenhang nicht sehen. Das könnte bedeuten, dass sie Führung nicht hauptsächlich mit Kommunikation verbinden – und das wäre ganz und gar kein modernes Verständnis.
Bei der Interpretation der Kommunikationsformate fehlt m. E. das persönliche Gespräch (weil ich ein Meeting so interpretiere, dass sich das Team trifft) – es wäre interessant wie viele Nennungen dieses Format bekommen hätte.
Bei den Formaten „persönliche Meetings“ sowie „Führungskräfte-Veranstaltungen“ heben die Autoren die in der hohen Zahl der Nennungen zum Ausdruck kommende Bedeutung und deren reale Nutzung sowie die hohen Nennungen beim E-Mail-Verkehr hervor. Mich erstaunen diese Ergebnisse jedoch nicht, weil sich dies mit meinen Erfahrungen deckt. Dazu habe ich auch eine oder sogar mehrere Hypothesen (die uns die Autoren leider schuldig bleiben):
- Projektmanager möchten sich viel öfter mit ihren Leuten u. a. Stakeholdern treffen. Sie passen sich aber dem allgemeinen „Mindset“ an, dass sowieso zu viel Kaffee getrunken und geredet und „zu wenig gearbeitet“ wird; und/oder sie schätzen den Zeitbedarf für wichtige Gespräche oft falsch ein (grade, wenn Kommunikation mit Information oder Problemlösung mit eigenem Problemlöse-Engagement verwechselt wird).
- Projektmanager haben das Bewusstsein darüber, wie wichtig die Meetings auf Führungsebene wären – sehen aber häufig, dass diese Meetings ausfallen oder nix bringen oder dass es von Geschäftsleitungsseite aus gar nicht gewünscht ist, sich als Projektmanager untereinander bzw. direkt mit der Geschäftsleitung auszutauschen.
Wenn festgehalten wird, dass 82 % Meilenstein-Kommunikation für wichtig halten, ist das ein zu erwartendes Ergebnis. Schade ist aber, dass das Ergebnis zur projektbegleitenden Kommunikation nicht weitervertieft wird: Was wird dort kommuniziert? Verändern sich je nach Phase die Inhalte der Kommunikation oder die Zielgruppen? Wie zufrieden ist man mit dieser Kommunikation? Wo gibt’s Probleme – warum?
All dies muss wohl im Zusammenhang gesehen werden mit dem an anderer Stelle der Untersuchung festgestellten Fehlen eines Kommunikationsplans bzw. -konzepts. Leider wird dies von den Autoren nicht genauer untersucht: Was verhindert die Entwicklung eines solchen Plans? Glaubt man nicht daran, dass man sowas planen kann (vielleicht weil’s ein sog. „Soft Fact“ ist)? Wie gelingt es trotzdem, an verschiedenen Stellen des Projekts die nötigen Kommunikationsprozesse einzuleiten bzw. weiterzutreiben? Welche Erfahrungen hat man mit spontanen Entscheidungen gemacht? Welche Rolle spielte dabei der Head of Project Management oder andere wichtige Entscheider?
Ein weiterer wichtiger Faktor für die Diskussion von bekannten Zusammenhängen aus dem Projektgeschäft wäre die Tatsache, dass Stakeholder-Analysen – ebenso wie Risiko-Analysen – oft schlampig gemacht werden. Daher taucht er in der begleitenden Kommunikation während des Projektablaufs vielleicht gar nicht so auf oder ist nicht so im Blick, wie er es sein müsste, weil z. B. die verschiedenen Stakeholder/Zielgruppen im Projektverlauf einen unterschiedlichen Stellenwert haben. Dieser, grade heute vor dem Hintergrund öffentlich bekannter Gründe für Projekt-Scheitern, wesentliche Punkt wird von den Autoren mit keinem Wort erwähnt. Sie diskutieren dieses Thema lediglich unter dem Stichwort der Herausforderungen, wo das Eingehen auf die unterschiedlichen Stakeholder als solche betrachtet wird (und das ist wiederum ein schon lange bekannter Gemeinplatz)
Wenn man mit den Autoren davon ausgeht, dass die Projektleiter/Projektmanager die Verantwortlichen für Kommunikation im Projekt sind/sein sollen, dann zeigt sich doch ein erhebliches Defizit bei der Frage „reicht die Kompetenz für die Ausfüllung dieser Rolle aus?„. Umso stärker zeigt sich das auf der Ebene der involvierten Linien- oder anderer Manager. Leider wird auch hier nicht weiter nachgefasst: Welche Kompetenzfelder wären denn konkret abzudecken, um da besser zu werden? Wie ist das Verhältnis von kennen, wissen, wie’s geht, umsetzen, Senior-Erfahrung (gemäß der National Competence Baseline-Kategorien)? Genau dies könnte wichtige Hinweise geben für die Verbesserung der Projektmanager/Projektleiter-Trainings im Hinblick auf die nötige Professionalisierung der Kommunikation. Die bezieht sich dann eben nicht nur – was sich in der Darstellung der Studienergebnisse zu zeigen scheint – auf Projekt-Marketing oder Projektkommunikation im Sinne von Unternehmens-Kommunikation, sondern auch auf reale Kommunikationsprozesse zwischen Menschen im Projekt im Sinne der Verbesserung der Zusammenarbeit im Projekt und im Hinblick auf die effektive und innovative Gestaltung der Zusammenarbeit mit anderen Schnittstellen-Akteuren.
Alles in allem also eine Studie, die zwar einige neue Erkenntnisse bringt, aber dennoch viele Probleme in der Projektkommunikation nicht oder nicht genügend erfasst und insofern auch kaum Anregungen für die Lösung der benannten Kommunikations-Probleme anbietet.
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