Dr. Klaus Wagenhals
– 13.03.2025Mit „ChangeReload“ zum besseren Gelingen von Projekten
Wir hatten im letzten Beitrag „Digitalisierung erfordert modernes Change-Management – warum scheitern dennoch so viele Projekte?“ einige wesentliche Punkte herausgearbeitet, mit deren Hilfe man dem Scheitern von Projekten trotzen kann:
Gemeinsames Verständnis zum Thema „Change“, was bedeutet, dass man sich in Digitalisierungs- oder IT-Projekten darüber verständigen sollte, worin denn der Change konkret besteht oder voraussichtlich bestehen soll.
Klären Sie im Kundengespräch, an welcher Stelle ein nächster Technisierungs- oder Digitalisierungsschritt spürbare, nachweisbare Erleichterungen, Verbesserungen o.ä. für die Firma, den Kunden, einzelne Beschäftigten-Gruppen bringen würde. Beziehen Sie hier schon alle wichtigen Stakeholder mit ein; damit meinen wir vor allem auch die Beschäftigten und ihre Interessenvertreter (wenn es diese gibt). Besprechen Sie, was sich durch die weitere Digitalisierung wohl verändert – in welcher Größenordnung/ in welcher Qualität, für wen.Hierzu braucht es neben der Definition, die wir gegeben haben, ein dynamisches Bild von der jeweiligen Organisation, um mit dessen Hilfe gemeinsam die jeweiligen Einschätzungen zu den Folgen des Technikeinsatzes (gewünscht oder angenommen) vornehmen zu können.
Ein Projekt-Verständnis, das das Projekt als soziales System versteht, eingebettet in ein größeres System (der jeweiligen Organisation und ihrem für das Projekt relevanten Ökosystem). Das heißt auch die vielfältigen Vernetzungen mit anderen Stakeholdern verstehen, mit der dort entwickelten Kommunikation und Kultur, Strukturen und Prozessen, mehr oder weniger klaren Aufträgen und Zielen.
Mit Hilfe dieses Bildes sind Sie in der Lage, die verschiedenen Ebenen einer Organisation zu sondieren und deren gegenseitigen Abhängigkeiten einzuschätzen. An dieser Stelle empfehlen wir, im Gespräch mit dem Kunden abzuklären – neben den bekannten Risiken - , was im jeweiligen System unter „Scheitern“ oder „vom Weg abkommen“ oder „Krise“ verstanden wird, weil das für Sie eine Leitlinie für ihre steuernden Eingriffe sein kann.
Das scheint uns mindestens so wichtig wie die Auftragsklärung und wäre ebenfalls als ein Prozess zu verankern, der mit dem Kunden eine regelmäßige Rückkopplungsschleife vorsieht.
- Wir hatten schon darauf hingewiesen, dass wir eine beteiligungsorientierte, co-kreative und iterative Vorgehensweise. Damit werden die intrinsische Motivation und ein ganz anderer, engagierter „Change-Spirit“ unterstützt: Die Beteiligten verstehen den Sinn und erleben den Erfolg der Veränderung, bringen ihre eigenen Ideen und Konzepte ein, übernehmen Verantwortung für Aufgaben im Change-Projekt.
- Wir vermuteten, dass viele IT-/Digitalisierungs-Expertinnen und Projektmanagerinnen (PM) als Gründe für Scheitern oft nur symptomatische Beschreibungen kennen. In unseren Kommentaren sind wir tiefer in die Ursachen eingetaucht: wir haben mangelndes Systemverständnis angesprochen, Machbarkeitsillusionen oder nicht genügend Stärke bei der Verhandlung der nötigen Schritte in einem Digitalisierungs- o.a. Change-Projekts (d.h. Akzeptieren von ungünstigen Rahmenbedingungen). Es geht also für uns darum, tiefer zu verstehen, was auch methodisch hochqualifizierte ProjektmanagerInnen davon abhält, solche Erkenntnisse umzusetzen, oder ob ihnen an bestimmten Punkten im Projektverlauf relevante Konzepte nicht zur Verfügung stehen.
Wir hatten berichtet, dass uns einige Ansätze aus der Change-Forschung und -Praxis inspirierten, weiter in die Tiefe zu gehen, um Wege aus den immer wie
-derkehrenden Handlungsmustern im Scheitern- oder Krisen-Modus zu entwickeln. Es geht darum, aus der Erkundung der dahintersteckenden Denk- und Handlungsmuster Alternativen entwickeln und erproben zu können. Daraus ist das „ChangeReload“-Format entstanden, das in mehrerlei Hinsicht eine neue Reflexions-Stufe bedeutet:
Wir haben mittlerweile mit diesem Format mehr als 15 Workshops und Abend-Veranstaltungen für verschiedene Communities und Firmen durchgeführt und den Ablauf immer wieder angepasst an die Fragestellungen der Teilnehmen-den. Dabei zeigten sich folgende Widersprüchlichkeiten, die man durchaus als Paradigmenwechsel bezeichnen kann:
Einige Hinweise zum Vorgehen in IT-/Digitalisierungs-Projekten mit eingebauter Krisen- / Scheiter-Vermeidung
Diese veränderten Paradigmen zeigen u.E. die Richtung weiterer Handlungs-empfehlungen für den Weg aus den bekannten Handlungsmustern:
Besprechen Sie mit dem Auftraggeber-Kreis Ihres IT-/Digitalisierungs-Projekts, wie man sich die Vorgehensweise vorstellt. Beziehen Sie hier schon Vertreter von Betroffenen ein. Entwickeln Sie gemeinsam eine grobe Roadmap mit den wichtigsten Architektur-Elementen. Hierzu gehören Kommunikationsflüsse und Mediennutzung, Entwicklungs-Workshops z.B. mit den Usern, WorldCafé oder OpenSpace für die Integration verschiedener Sichtweisen, Feedback-Schleifen. Vereinbaren Sie die Prinzipien einer erfolgreichen Projektarbeit, z.B. Hands-on-Beteiligung bei Prozessoptimierung vor fertigen Tools.
Achten Sie dabei zum einen auf eine saubere Rollenklärung aller Anwesenden in dem Prozess; andere wichtige Player sollten zur Mitarbeit eingeladen werden. Achten Sie auch auf die absehbare, zusätzliche Arbeitsbelastung der Beteiligten. Dies betrifft vor allem die oft eh schon überlasteten mittleren Manager wie Abteilungsleiter, Division Manager oder Teamleiter, die durch Prioritätensetzung, Umverteilung von Aufgaben und arbeitsorganisatorische Maßnahmen unterstützt werden sollten.
Rechnen sie mit Überraschungen und mit neuen Anforderungen, die eine Antwort/ eine Lösung brauchen - aber wiederum mit Folgenabschätzung und zeitnah bearbeitet werden müssen.
- Planen Sie von vornherein die ebenen- und bereichsübergreifende Kommunikation, setzen sie moderne, zielgruppenorientierte Medien ein, setzen Sie Multiplikatoren ein. Denken sie dabei an die Glaubwürdigkeit der Kommunikation und die Wirkungen von Botschaften. Versuchen sie die Gerüchteküche möglichst schnell zu begrenzen. Wiederholen Sie Informationen – auch wenn Sie ungeduldig werden. Seien Sie in den Inhalten konsistent und in Ihrer Kommunikation verlässlich.
- Richten Sie die Schrittfolge und die Taktung auf die Bedürfnisse der Beteiligten und nicht so sehr auf einen vorgedachten Plan. Achten Sie dabei durchgehend auf die Orientierung des Prozesses am Zukunftsbild, auf die Transparenz des Prozesses, entscheiden Sie schnell und nachvollziehbar. Entwickeln Sie ein Gespür für Stimmungen und für mögliche Energie-Verluste bei den Beteiligten: Zeigen sich Unzufriedenheiten, gibt es Situationen, in denen die Motivation leidet? Dann sollten Sie angemessen eingreifen und gehen Sie auch Konflikten nicht aus dem Weg – tragen Sie sie konstruktiv aus. Hierfür sollten Sie einen gut gefüllten Methodenkoffer besitzen und im guten Austausch mit anderen Führungspersonen – auch beim Kunden – sein.
- Führen Sie Kommunikationsformate und Foren ein, mit deren Hilfe ein wirklich offener Austausch auch zu Problemen und Fehlern möglich und willkommen ist. Gehen Sie als gutes Beispiel voran, und zeigen Sie, wie Lernen während des Prozesses z.B. über die Formulierung von Hypothesen oder die Erstellung von Szenarien stattfindet und dem Change-Prozess zur Optimierung verhilft. Bieten Sie dafür Räume, Medien und passende Hilfsmittel an.
- Gehen Sie flexibel mit den benötigten Strukturen und der personellen Besetzung um: Entscheiden Sie von Fall zu Fall (nachvollziehbar), wen Sie zu welchen Meetings einladen. Führen Sie die Meetings kurz und ergebnisorientiert durch, überladen Sie sie nicht. Richten sie für Spezialfragen oder besondere Probleme eigene, effektive Arbeitsgruppen ein oder eine „Pilotgruppe“ und lösen Sie sie wieder auf, wenn ihr Zweck erfüllt ist. Zeigen Sie damit, wie Teaming geht und tragen Sie so zur Selbstorganisation ihrer Projekt-Mitglieder bei.
- Schauen Sie beim Monitoring nicht nur auf die technischen Ergebnisse, sondern in einem passenden Rhythmus auch auf den Prozess mit all seinen Ebenen – angelehnt an die Konzepte der im agilen Umfeld praktizierten Retrospektiven. Beziehen Sie die Aufgaben und Rollen ein, die Zusammenarbeit im Team, wie auch das individuelle Erleben. Das Team wird es Ihnen danken, die Kultur wird sich verändern und das Ergebnis wird besser. Besprechen und vereinbaren Sie Kriterien, auf die die Beteiligten regelmäßig und gemeinsam achten wollen und die kompatibel sind oder gemacht werden müssen mit den unternehmensweit geltenden Messkriterien (z.B. OKR).
In der Schlussphase des Prozesses geht es darum, dass das neue System und die Anwendung reibungslos laufen, die neuen Prozesse und ggf neuen Strukturen zur Zufriedenheit von Usern und Kunden funktionieren. Es geht darum, dass die damit Betrauten das Neue verstehen und praktizieren, dass sie parallel zur Lösungsentwicklung entsprechend qualifiziert wurden und dass der Kunde positives Feedback gibt und jetzt schneller und besser bedient wird bzw. seine Probleme gelöst bekommen hat. Vielleicht ist sogar ein neues Geschäftsmodell entstanden, das von einer Gruppe interessierter KollegInnen vorschlägt.
Jetzt wird auch eine gut nachvollziehbare Dokumentation mit den wesentlichen Änderungen, Neuerungen und Vorteilen sowie den Lessons Learned aus dem Prozess fertiggestellt und im Intranet verfügbar gemacht. Und es gibt eine Schlussauswertung mit allen Stakeholdern und dem Auftraggeber mit anschließender Party, wo das Nicht-Scheitern oder an der Krise vorbei-arbeiten – vielleicht trotz widriger Umstände – besonders in den Blick genommen wird.
Wir schlagen vor, dass Sie aus der geschilderten, prototypischen Vorgehensweise diejenigen Anregungen nutzen, die Ihnen plausibel bzw. zu Ihrer Situation passend erscheinen und Ihre bisherigen Handlungsmuster im Sinne des Vermeidens von Krisen- und Scheiter-Punkten verändern.
Natürlich freuen wir uns über Kommentare, Hinweise, Ihre Meinungen, Erfahrungen… Ansonsten: Happy Projects KW
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