– 05.08.2013

Projektmanagement ist (auch) Konfliktmanagement – Interview mit Angela Reeg-Muller

Durch Konflikte in Projekten/Projektteams entstehen Reibungsverluste, die bis zum Projektabbruch führen können. Leider wird dem Thema insgesamt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weshalb wir Anfang Juli eine Vortragsveranstaltung bei der GPM Region München organisiert haben. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, das Konfliktmanagement im Projektmanagement auch hier auf dem GPM BLOG in den Fokus zu rücken.

Die Referentin Angela Reeg-Muller, Lean Six Sigma Black Belt, Lehrbeauftragte an den Hochschulen München und Erding, hat sich freundlicherweise bereiterklärt, für ein Interview zur Verfügung zu stehen.

Max Wolf: An welche Konflikte denken Sie?

Reeg-Muller: Immer wenn Menschen zusammenkommen, kann es zu Konflikten kommen. Für Projekte gilt das umso mehr. Die Teammitglieder in Projekten lernen sich oft erst im Kick-off-Meeting kennen und sollen trotzdem möglichst sofort von Null auf Hundert zusammenarbeiten. Projekte stehen zudem meist unter Zeitdruck, was die Konfliktanfälligkeit eher verstärkt. Sie sind interdisziplinär zusammengesetzt; die Teammitglieder sprechen unterschiedliche Fachsprachen. Aufgrund der Globalisierung haben die Teammitglieder oft auch unterschiedliche Muttersprachen, was zu Missverständnissen und dann zu Konflikten führen kann. Interkulturelle Aspekte können eine Rolle spielen und zu Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Einschätzung und Bewertung von Verhaltensweisen führen. Unklare Rollen, Funktionen und Kompetenzen sind ebenso eine Quelle für Konflikte wie unpräzise oder nicht von allen verstandene Projektziele.


Können Konflikte klassiert werden?

Ja, im Projektumfeld entstehen immer wieder folgende Arten von Konflikten:

  • Beziehungskonflikte, die oft auf Kommunikationsproblemen beruhen
  • Wertekonflikte entstehen, wenn die Teammitglieder unterschiedliche Wertvorstellungen haben, auch z. B. hinsichtlich der Art, wie wir (zusammen) arbeiten
  • Ressourcenkonflikte entstehen u. a., wenn die Linie einen für das Projekt wichtigen Mitarbeiter nicht oder nicht zur rechten Zeit überlassen will.
  • Sachkonflikte zeichnen sich durch unterschiedliche Interpretationen von Sachverhalten aus, die in den interdisziplinär zusammengesetzten Projektteams auch durch die unterschiedlichen fachlichen Sichtweisen auf ein Problem oder einen Sachverhalt entstehen können
  • Interessenkonflikte können entstehen, wenn Teammitglieder „stur“ ihre Interessen durchsetzen wollen oder unternehmenspolitische Zwänge auf das Projekt einwirken


Wie sollen Konflikte gelöst werden?

Der Ansatz der themenzentrierten Information (TZI), von Ruth Cohn Anfang der 60er Jahre konzipiert, wurde im Lauf der Zeit immer weiter entwickelt und ist eine Möglichkeit, unsere Teamarbeit positiv zu gestalten. Laut TZI beeinflussen vier Faktoren die Teamarbeit:

  • Das Ich
  • Das Wir
  • Das Es
  • Das Umfeld


Das „Ich“ bezeichnet den Einzelnen in der Gruppe, das augenblickliche Empfinden, die Persönlichkeit, ebenso die Erfahrungen, die der Einzelne mit und in die Gruppe einbringt. Viele haben es sicherlich schon erlebt, dass einer freudestrahlend in die Teamsitzung kommt, die Anderen mit seiner guten Laune ansteckt und die Arbeit in einer entspannten Stimmung viel besser gelingt. Negative Auswirkungen hat es dagegen, wenn jemand seine schlechte Laune oder gar Wut in der Sitzung durch aggressive Angriffe loswerden will. Werden diese persönlichen Befindlichkeiten nicht aufgegriffen, wirken sie dennoch im Nichtausgesprochenen weiter.

Durch die Zusammenarbeit in der Projektgruppe entsteht das „Wir“. Das „Wir“ meint die Beziehungen zwischen den Personen, Sympathien oder Antipathien, Konflikte und allgemein Stimmungen. Es entwickelt sich eine spezielle Gruppenkultur, die jede Gruppe zu etwas Besonderem macht.
Auch für das Beziehungsgeflecht gilt: Es wirkt immer, gleichgültig, ob wir es beachten oder nicht. Ich- und Wir-Themen sprechen eher Gefühle an.

Mit dem „Es“ ist das Sachthema gemeint, weswegen die Gruppe zusammenkommt. Es-Themen sprechen den Intellekt an.
Den meisten (Projekt-)Mitgliedern ist die Sachebene die wichtigste, denn deswegen wird das Team ja schließlich aufgestellt.

Das Umfeld gilt es für jede Gruppe zu beachten. Das Umfeld beeinflusst die Gruppe und wird von ihr beeinflusst. Das gilt natürlich ganz besonders für Projektgruppen, die immer auf ihr Umfeld einwirken, weil sie etwas Neues schaffen und das Umfeld deswegen einbeziehen müssen. Aktives Stakeholdermanagement bezieht die vom Projekt direkt oder indirekt betroffenen Personen in das Projektgeschehen mit ein.

Der besondere Verdienst von TZI liegt darin, Sach- und Beziehungsebenen als gleichwertig zu verbinden, wohingegen in unserem Arbeitsleben – und auch oft in Projekten – meist nur der inhaltliche Blickwinkel durchleuchtet wird und die Sachprobleme bearbeitet werden.


Woran erkennt eine Projektleitung, dass sich Konflikte auftun?

Grundsätzlich gibt es sichtbare Zeichen und weniger deutliche (eher An-)Zeichen. Die Projektleitung sollte aufmerksam werden, wenn es zu Ironie im Team kommt mit dem Ziel, den Anderen verletzen oder lächerlich machen zu wollen. Besserwisserei und Belehrungen können Anzeichen sein, ebenso wie persönliche Angriffe Gehässigkeiten und Drohungen.
Verdeckte Anzeichen sind Vergessen von Aufgaben, Trödeln, Verweigern von Zuarbeiten, Auflaufen lassen und ähnliches.
Da Konflikte sich in Eskalationsstufen entwickeln, ist es wichtig, bereits erste Anzeichen zu erkennen und die Konflikte frühzeitig zu bearbeiten. Gelangen die Konflikte in die Stufe, in der es nur noch um Sieg oder Niederlage geht, hat die Projektleitung in aller Regel keine Möglichkeit mehr, den Konflikt zu bereinigen.


Wie wirken sich Konflikte im Projekt aus?

Die negativen Gefühle, von denen Menschen in Konfliktsituationen beherrscht werden, führen in der Regel zu verminderter Urteilsbildung. Ich sehe ausschließlich die negativen Seiten in meinem Konfliktpartner, die guten Seiten übersehe ich.
Wenn die negativen Gefühle stark genug sind, laufen die Konfliktparteien Gefahr, unreflektiert zu handeln, oft mit anschließenden Reuegefühlen.


Welche positiven Erfahrungen haben die Projektbeteiligten mit Konflikten gemacht?

Konflikte können darauf hinweisen, dass es auch andere Wege gibt, ein Problem zu lösen. So können Veränderungen vorangetrieben werden und das Team findet bessere Lösungen. Konflikte machen Probleme sichtbar. Gelöste Konflikte bereinigen das Klima im Team und können die Beziehungen der Teammitglieder untereinander stärken. Allgemein gesagt benötigen Konflikte Energie, die im Projekt sinnvollerweise anderweitig eingesetzt werden kann. Sie können das Klima im Team vergiften. Sie blockieren Kreativität, kosten Zeit und demnach auch Geld.

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Im zweiten Teil des Interviews befassen wir uns mit verschiedenen Modellen zur Kommunikation wie dem Sender-Empfänger-Modell und dem Modell der „4-Seiten-einer-Nachricht“. Angela Reeg-Muller äußert ich außerdem zur Vermeidung von Konflikten und der Konfliktlösung.

Max L. J. Wolf schreibt im GPM Blog zum Thema PM-Praxis. Er war Mitglied der Leitung der GPM Region München. Als Berater und Trainer für Projektmanagement hat er einen großen Einblick in die praktische Arbeit vieler Projekte in Deutschland. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher z. B. zu kleinen Vorhaben, Projektmoderation und Zeitmanagement veröffentlicht.


Max L. J. Wolf schreibt im GPM Blog zum Thema PM-Praxis. Er war Mitglied der Leitung der GPM Region München. Als Berater und Trainer für Projektmanagement hat er einen großen Einblick in die praktische Arbeit vieler Projekte in Deutschland. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher z. B. zu kleinen Vorhaben, Projektmoderation und Zeitmanagement veröffentlicht.


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