– 16.07.2025

Ted Lasso und Agile Führung: Was Projektmanager von einem Serien-Coach lernen können

Die Erfolgsserie Ted Lasso auf Apple TV+ ist auf den ersten Blick eine Feelgood-Komödie über einen amerikanischen Footballtrainer, der zum britischen Fußballcoach wird - ohne jegliche Vorkenntnisse. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Ted Lasso ist ein Lehrstück moderner, agiler Führung. Die Serie bricht bewusst mit traditionellen Führungsbildern und zeigt, wie eine wertebasierte, menschenorientierte Haltung Teams zu Höchstleistungen führen kann, auch ohne Fachautorität. 

Vom klassischen Chef zum agilen Coach 

Ted Lasso verkörpert einen Führungsstil, der sich klar vom klassischen „Chefdenken“ abgrenzt. Statt Anweisungen zu geben, hört er zu, motiviert und überträgt Verantwortung. Er steht exemplarisch für das, was in agilen Kontexten als „Servant Leadership“ bezeichnet wird: ein Führungsstil, der nicht kontrolliert, sondern befähigt. 

Bemerkenswert ist: Ted kennt sich mit Fußball nicht aus, wird aber dennoch Trainer eines Premier-League-Teams. Das Fachliche überlässt er anderen, sein Beitrag liegt im Aufbau eines funktionierenden Teams. Führung bedeutet für ihn nicht Wissensvorsprung, sondern Beziehungsarbeit und Vertrauen. 

Die fünf Säulen agiler Führung in der Serie 

In der Handlung von Ted Lasso lassen sich zentrale Prinzipien agiler Führung unmittelbar erkennen: Sie sind nicht nur dramaturgisch wirksam, sondern spiegeln auch zentrale Anforderungen an moderne Führungskräfte in dynamischen Organisationen wider: 

1. Positive Leadership 

Ted bleibt auch in schwierigen Situationen optimistisch. Der berühmte „Believe“-Schild in der Kabine steht symbolisch für seine Haltung: Vertrauen aufbauen, Potenziale erkennen, Menschen inspirieren. Diese positive Grundhaltung ist keine Naivität, sondern bewusstes Führungsverhalten. 

In agilen Kontexten ist Positive Leadership entscheidend, um in unsicheren oder belastenden Situationen Orientierung und psychologische Sicherheit zu bieten. Agile Teams arbeiten oft iterativ und inkrementell - was auch bedeutet, dass nicht jeder Sprint perfekt verläuft. Eine Führungskraft, die durch Zuversicht, Wertschätzung und lösungsorientiertes Denken überzeugt, stärkt Motivation und Resilienz im Team. 

2. Empathie 

Ted begegnet jedem Teammitglied mit echtem Interesse. Er sieht in Menschen mehr als ihre aktuelle Leistung und hilft ihnen, über sich hinauszuwachsen. Ein Beispiel ist Nathan, der anfangs als zurückhaltender Zeugwart kaum beachtet wird und später zum Co-Trainer aufsteigt. 

Agiles Arbeiten setzt auf individuelle Verantwortung und kollektive Intelligenz. Führungskräfte müssen daher verstehen, was ihre Teammitglieder bewegt, um sie gezielt zu unterstützen. Empathie schafft Vertrauen, fördert intrinsische Motivation und ermöglicht, auf persönliche Stärken und Bedürfnisse einzugehen: Eine Voraussetzung für Selbstorganisation und kontinuierliches Lernen. 

3. Beziehungsarbeit 

Im Zentrum steht die Entwicklung des Einzelnen im Teamkontext. Jamie Tartt, ein talentierter, aber selbstbezogener Spieler, wird durch gezielte Gespräche und klare Erwartungen schrittweise zu einem echten Teamplayer. Ted investiert Zeit, um Vertrauen und gegenseitige Verantwortung zu etablieren. 

In agilen Teams sind stabile, belastbare Beziehungen essenziell. Vertrauen ersetzt Kontrolle und das funktioniert nur, wenn Führung aktiv in die Beziehungspflege investiert. Eine funktionierende Beziehungskultur ermöglicht echte Zusammenarbeit, schnelle Kommunikation und das gemeinsame Tragen von Verantwortung - wichtige Voraussetzungen für dezentrale Entscheidungsfindung und Anpassungsfähigkeit. 

4. Fehlerkultur und Resilienz 

Der Abstieg des Teams am Ende der ersten Staffel wird nicht als Scheitern, sondern als Lernmoment inszeniert. Ted etabliert eine offene Fehlerkultur und verwendet die Metapher des Goldfischs: Dieser vergisst schnell - eine Einladung, aus Fehlern zu lernen und nicht an Misserfolgen zu haften. 

Iteratives Arbeiten lebt vom Prinzip „Inspect & Adapt“ - Fehler und Rückschläge sind daher keine Ausnahme, sondern Teil des Lernprozesses. Agile Führung fördert eine Kultur, in der offen über Scheitern gesprochen wird und in der Experimente nicht sanktioniert, sondern reflektiert werden. Nur so entsteht echte Innovationsfähigkeit und langfristige Resilienz. 

5. Offene Kommunikation 

Ted kommuniziert transparent, wertschätzend und auf Augenhöhe. Entscheidungen werden gemeinsam getragen, Feedbackprozesse sind integraler Bestandteil der Teamdynamik. Dabei wird niemand bloßgestellt, auch Kritik erfolgt konstruktiv. 

Kommunikation ist in agilen Teams kein Nebenprodukt, sondern zentrale Führungsaufgabe. Regelmäßige Feedbackschleifen (z. B. Retrospektiven) funktionieren nur in einer Umgebung, in der offen, ehrlich und angstfrei gesprochen werden kann. Agile Führungskräfte schaffen den Rahmen dafür, moderieren Spannungen und sorgen dafür, dass Information nicht in Silos versickert, sondern geteilt wird - schnell, klar und kontinuierlich. 

Stakeholder-Management und Wandel der Perspektive 

Ein oft übersehener Aspekt in der Serie ist der Umgang mit Stakeholdern. Ted gewinnt nicht nur das Team, sondern auch die Clubleitung für sich - obwohl deren anfängliches Ziel war, den Verein gezielt in den Misserfolg zu führen. Durch Integrität, Menschlichkeit und langfristiges Denken gelingt es ihm, bestehende Fronten aufzulösen und neue Allianzen zu schaffen. So wird die Clubbesitzerin Rebecca vom Saboteur zur Unterstützerin des Teams. 

Führung in komplexen Systemen - auch ohne Fachwissen 

Ted Lasso verdeutlicht, dass in komplexen und unsicheren Umfeldern nicht technisches Know-how im Vordergrund stehen muss, sondern die Fähigkeit, Menschen zu führen. Seine Rolle ist vergleichbar mit der von Projektleitenden, die sich oft in unbekannten Fachgebieten bewegen. Erfolgreich ist, wer in der Lage ist, ein diverses Team zu koordinieren, Orientierung zu geben und Entwicklung zu ermöglichen. 

In agilen Organisationen ist das Verständnis von Führung dynamisch: Führungspersonen sind weniger „Vorgesetzte“, sondern eher Coaches, Moderatoren und Möglichmacher. 

Ted Lasso als praktisches Modell agiler Führung 

Die Serie liefert keine wissenschaftliche Theorie, sondern zeigt durch lebendige Charaktere, wie agile Führung im Alltag aussehen kann. Sie macht Mut, Führung neu zu denken: menschenzentriert, empathisch, fehlerfreundlich und wirksam. Wer Projekte führt, kann viel aus dieser Serie mitnehmen: Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Vertrauen. Nicht um Titel, sondern um Haltung. Nicht um Perfektion, sondern um Entwicklung. 

Constantin Hoya spricht beim 34. IPMA World Congress zum Thema "Agile Führung - Lernen von Ted Lasso". Mehr über den 34. IPMA World Congress erfahren Sie hier: IPMA World Congress 2025 Tickets – Jetzt Ihre Teilnahme sichern!

Constantin Hoya ist seit 2006 im Projektmanagement tätig - zunächst in der Logistik, später in der Beratung. Seit 2017 arbeitet er beim Medizintechnikhersteller Olympus. Er gehört dem Leitungsteam der GPM Fachgruppe Beratung im Projektmanagement an und ist IPMA® Level A sowie Level B zertifiziert. Sein Schwerpunkt liegt auf innovativen Führungsansätzen an der Schnittstelle von Theorie und Praxis.


Constantin Hoya ist seit 2006 im Projektmanagement tätig - zunächst in der Logistik, später in der Beratung. Seit 2017 arbeitet er beim Medizintechnikhersteller Olympus. Er gehört dem Leitungsteam der GPM Fachgruppe Beratung im Projektmanagement an und ist IPMA® Level A sowie Level B zertifiziert. Sein Schwerpunkt liegt auf innovativen Führungsansätzen an der Schnittstelle von Theorie und Praxis.


Kommentare

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17.07.2025 – 16:45

Karl Wendrich

Danke, Constantin!

Eine wunderbare Referenz an diese großartige Filmfigur!

Ted Lasso inspiriert gute Führung, keine Frage. Ein Servant Leader erster Güte.

Und ein Gegenentwurf zu den missmutigen und grenzenlos egoistischen Lenkern, die unseren Zeitgeist zu bestimmen scheinen.

Und nebenbei hat die Serie auch noch eine tolle weibliche Hauptrolle zu bieten.