Edith Schatz 
– 13.08.2019Welche Rolle spielt der Mensch im Kulturwandel? – Teil 3: Im Interview mit Guido Bosbach
Der Project Culture Day findet am 20 September 2019 erstmalig in Essen statt. Zum Start in den Tag gibt es eine Podiumsdiskussion zum Thema Kulturwandel in Unternehmen.
Wir möchten Ihnen die Podiumsdiskussionsteilnehmer vorstellen. Heute: Guido Bosbach.
Er ist Unternehmensbegleiter und -berater mit Fokus auf zeitgemäße organisationsindividuelle Management-, Organisations- und Führungsmodelle.
Guido Bosbach bloggt auf ZUKUNFTheute.net, Linkedin und Xing. In 2017 wie auch in 2018 wurde er von Linkedin als „Top Voice D-A-CH“ ausgezeichnet. Im Rahmen der Top-Publisher 2018 zeichnete Xing ihn als „Spitzenwriter” aus. Er gehört zu den reichweitenstärksten Bloggern im Kontext Management & Führung, ist Mitgründer der freiKopfler sowie Autor und Dozent an der Hochschule Fresenius.

„Aus Systemsicht ist es absurd anzunehmen, bei der Kultur mit dem Wandel beginnen zu können, ihn zu steuern oder zu determinieren.
Wichtiger, einfacher und dennoch komplex ist es, an den Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zu drehen.“
Guido Bosbach
Herr Bosbach, welchen Stellenwert hat für Sie das Thema Kulturwandel im Kontext der Veränderung der Arbeitswelt generell?
Immer, wenn von Kultur gesprochen wird, bin ich geneigt die Frage zu stellen: „Was ist denn Kultur eigentlich?“ Das ist für mich die Grundlage, um dann überhaupt darüber reflektieren zu können, ob man dieses „Ding“ aktiv wandeln kann, oder wie eine Veränderung stattfindet.
In meiner Wahrnehmung kann man Kultur fast so beschreiben, wie die Dampfmaschine in der berühmten Physikklassenszene aus der „Feuerzangenbowle“:
In der Szene betritt der Physiklehrer den Raum und beginnt seine Ausführungen über die Dampfmaschine mit dem Monolog: „Wat isn Dampfmaschin? Da stelle mer uns ma janz dumm un sachen: 'N Dampfmaschin, dat isn große, runde, schwarze Raum! Un dieser schwarze Raum, der hat zwei Löcher ...“
Kultur ist zunächst nichts anderes, als ein großer, leerer Raum mit ganz viel Mensch und Erwartung und Glaubenssätzen und Moral und Ethik und Bedürfnissen und Gefühlen und Abläufen und Prozessen und Strukturen und 1.000 anderen Dingen drin und drum herum.
Kulturwandel ist der Prozess, der aus der Entwicklung dieser vielen Themen resultiert. Er ist damit unvermeidlich und allgegenwärtig, insbesondere in einer Arbeitswelt, die sich so schnell und fundamental verändert wie wir es heute erleben – kaum beeinfluss- oder steuerbar.
Der Kulturwandel ist Teil des Gesamtsystems, das sich aus den Werte- und Kulturmustern der Organisationssysteme (also Prozessen, Strukturen, Ziele, etc.) und der beteiligten Menschen zusammensetzt.
Wenn sich dabei eins verändert, beeinflusst es immer auch das andere. Dabei ist es einfacher das Organisationssystem zu ändern, denn diese Änderungen können „verordnet“ werden. Menschen ändern sich dann mit diesen Impulsen – oder sie verändern sich eben nicht und passen dann nicht mehr zum neuen Betriebssystem. Es ist immer eine intensive Entwicklung für alle drei: die Menschen, das Organisationssystem und das Gesamtsystem aus beiden.
Wie erleben Sie persönlich das Thema Kulturwandel bei Ihrer Arbeit in Unternehmen?
Heute hört man oft von Kulturentwicklungsprogrammen und -maßnahmen. Dabei ist es aus der Systemsicht absurd anzunehmen, bei der Kultur mit dem Wandel beginnen zu können, ihn zu steuern oder zu determinieren. Dazu kommt der fatale Irrglaube des Managements anzunehmen, durch seine Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten den Kulturwandel alleine steuern zu können. Dieses singuläre, oft lineare Denken ist nicht mehr geeignet, auf die vielfältigen Anforderungen der Unternehmensumwelt zu reagieren. Darüber hinaus nehmen wir Unternehmen als „Maschinen“ wahr mit definiertem bzw. normierten Input und entsprechendem Output.
Wichtiger, einfacher und dennoch komplex ist es, an den Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zu drehen. Die heutige Arbeitswelt verlangt immer mehr nach Meinungen, nach Authentizität und damit nach einem Bewusstsein bzgl. der eigenen Meinungen, Bedürfnisse und Gefühle, die (nicht nur) im Wandel der Arbeitswelt ständig auftreten und denen wir in „den alten Mustern“ zu wenig Bedeutung zugemessen haben.
Es gilt also ein System des Miteinanders zu etablieren, das Freiräume einräumt, um sich einzubringen (auch kritisch), etwas beitragen zu können und in all dem mehr Effektivität ermöglicht. Ziel ist, dass jede/r Beteiligte im System so agiert, dass sich die Dinge für die eigene Arbeit und idealerweise auch für den allgemeinen Erfolg positiv ändern. Die Kultur wird sich dann entsprechend anpassen.
Dies funktioniert jedoch nicht verlustfrei. Nicht jeder will und kann sich von jetzt auf gleich darauf einlassen. Es ist ein Prozess, den einige schnell gehen wollen, bei dem andere mehr Zeit brauchen und den einige nie bewältigen. Es ist wichtig frühzeitig Wege zu finden, wie man für diejenigen, die der Weg tatsächlich überfordert, valide und für sie positive Möglichkeiten eröffnet, einen anderen Weg zu beschreiten. Auch das wirkt auf die Kultur im Unternehmen. Mehr als viele glauben.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, um den Kulturwandel in den Unternehmen zu gestalten?
Das größte Problem ist, den Ursachen für „schlechte Kultur“, zum Beispiel für ein schwieriges Miteinander, auf den Grund zu kommen. Zielführender als an den Symptomen zu arbeiten ist jedoch, die Ursachen möglichst direkt anzugehen. Allein schon auf die Frage „Was hindert uns daran, uns optimal einzubringen?“ ehrliche Antworten zu erhalten, kann eine Herausforderung sein.
Dabei muss es genau darum gehen: Zu identifizieren, was guter, einfacher (Zusammen-)Arbeit im Weg steht. Oftmals sind diese Artefakte – also falsche, irreführende Ergebnisse der heute genutzten Management- und Führungsmethoden – so allgegenwärtig und tief in die Strukturen eingearbeitet, dass sie kaum mehr für veränderlich gehalten werden. Es ist zu normal sich so zu verhalten:
Reports zu schreiben, die (fast) niemand liest; drei verschiedene Formate zu erstellen, weil es drei verschiedene Vorlagen gibt; auf Entscheidungen wochenlang zu warten, weil das zuständige Gremium so selten tagt; mit alten, die Anforderungen nicht erfüllenden Technologien und knappen Ressourcen agieren zu müssen.
All das stört auf den ersten Blick „nur“ die Zusammenarbeit, im Grunde aber torpediert es die Entwicklung, auch die einer Kultur, die gute Zusammenarbeit leichter macht.
Haben Sie einen speziellen Tipp für unsere Leser, was sie selbst zu einem positiven Wandel beitragen können?
Ohne das genaue Umfeld bzw. die Einzelheiten zu kennen, hier ein Tipp, der (fast) immer funktioniert: Beginnen Sie (noch)mal die Zielgerichtetheit von Prozessen und Strukturen zu hinterfragen. „Hilft mir das, was ich tue, meine Wirksamkeit mit Blick auf die beabsichtigte Wertschöpfung des Unternehmens zu vergrößern.“ Oder anders gefragt (und wie schon geschrieben): „Was hindert mich, mich optimal einzubringen? Was muss und kann ich wie ändern, damit es mir leichter fällt mich zu 100 % (und damit für mich zufriedenstellender) einzubringen?“
Auf diesem Weg lassen sich Artefakte, aber auch sog. „workhacks“ erkennen und beschreiben, die die Arbeit erleichtern und ganz nebenbei die Kultur wandeln.
Sie werden ja als Teilnehmer bei dem anschließenden Open-Space auf dem Project Culture Day dabei sein, worüber wir uns sehr freuen.
Was möchten Sie beitragen bzw. worüber möchten Sie gerne mit den anderen Teilnehmern diskutieren?
Ich würde gerne mit den Teilnehmern darüber diskutieren, welche Artefakte sie mit sich herumtragen und welche workhacks sich nutzen lassen könnten, um die Zusammenarbeit zu erleichtern und zu verbessern. Am Ende will schließlich keiner von uns auch nur einen Moment durch etwas Unsinniges oder Störendes abgelenkt werden, also von dem, was zu einem hervorragenden Ergebnis führen könnte.
Herzlichen Dank für das Interview.
Edith Schatz, PM-Expertinnen, Arbeitsgruppe Project Culture Day
Gerne laden wir Sie zum Project Culture Day am 20. September im Unperfekthaus in Essen ein.
Angeregt durch eine Podiumsdiskussion, bietet der Project Culture Day mit dem Format eines Open Space den Raum auf das Wissen und die Erfahrung anderer zu treffen und sich austauschen.
Die GPM freut sich auf rege Diskussionen und viele außergewöhnliche Impulse. Anmeldung und weitere Information auf der Event-Seite.
Hier geht es zu den weiteren Interviews:
Keine Kommentare vorhanden.